Kabinett billigt Einführung der Familienpflegezeit

Kabinett billigt Einführung der Familienpflegezeit
Teilzeitarbeit, um Beschäftigten etwa die Pflege alter und kranker Eltern zu ermöglichen: Familienministerin Schröder hat dazu ein besonderes Finanzmodell entwickelt - allerdings ohne Rechtsanspruch.
24.03.2011
Von Bettina Markmeyer

Der Gesetzentwurf zur Einführung einer Familienpflegezeit, den das Kabinett am Mittwoch in Berlin gebilligt hat, findet bei der Opposition und Sozialverbänden wenig Anklang. Sie werfen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) vor, vor der Wirtschaft eingeknickt zu sein, weil es keinen Rechtsanspruch auf die Pflegezeit geben wird. Bei den Angehörigen pflegebedürftiger Menschen kommt das Vorhaben einer Umfrage zufolge hingegen besser an. Jeder Vierte würde die Pflegezeit gern nutzen.

Künftig Teilzeitarbeit bei Pflege von Angehörigen

Vorgesehen ist, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf bis zu 50 Prozent reduzieren können, wenn sie einen Angehörigen pflegen. Das Gesetz, das noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden muss, soll ab 2012 gelten. Einen Rechtsanspruch auf die Arbeitszeitreduzierung gibt es nicht.

Arbeitnehmer sollen während der Pflegephase 75 Prozent ihres Bruttoeinkommens erhalten, auch wenn sie nur 50 Prozent arbeiten. Zum Ausgleich bekommen sie nach Ende der Pflegezeit zunächst ebenfalls nur 75 Prozent ihres Gehalts, arbeiten aber wieder in Vollzeit. Der Arbeitgeber beantragt eine Refinanzierung beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, dem bisherigen Bundesamt für den Zivildienst. Nach der Pflegephase behält er einen Teil vom Lohn ein und zahlt ihn an das Bundesamt zurück.

In den Betrieben sollten sich die Vereinbarungen über eine Familienpflegezeit an der Altersteilzeit orientieren, erklärte Schröder. Bei der Altersteilzeit habe sich gezeigt, dass sie von Arbeitgebern und Beschäftigten angenommen worden sei, ohne dass es gesetzlicher Zwänge bedurft habe.

Nach einer Umfrage, die dem "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe) vorliegt, stößt die Familienpflegezeit bei den Angehörigen auf Interesse. Den Angaben zufolge will sie jeder Vierte nutzen. Die bisherige Möglichkeit, sich bis zu einem halben Jahr unbezahlt vom Job freistellen zu lassen, wenn die Familie plötzlich einen Pflegefall hat, finden dagegen 90 Prozent uninteressant. Fast jeder Fünfte lehnt die Familienpflegezeit indes wegen der Lohneinbußen ab.

Verbände und Opposition kritisieren fehlenden Rechtsanspruch

Sozialverbände und Opposition erneuerten ihre Forderung nach einem Rechtsanspruch auf die Pflegezeit. Der Deutsche Verein (DV), in dem Kommunen und Wohlfahrtsverbände vertreten sind, der Sozialverband VdK und der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie alle Oppositionsparteien kritisierten, dass die Umsetzung der Familienpflegezeit allein vom guten Willen der Arbeitgeber abhänge. Das Gesetz sei "völlig unverbindlich" und werde ausschließlich von den Beschäftigten finanziert, erklärte die SPD-Fraktion. Die Linksfraktion kritisierte, Arbeitnehmer müssten als Bittsteller vor die Arbeitgeber treten.

Demgegenüber verwies Familienministerin Schröder darauf, dass die ersten Unternehmen die Familienpflegezeit bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes einführten. Familienfreundlichkeit sei in Zeiten steigenden Fachkräftemangels ein Wettbewerbsfaktor. Drei Viertel der Berufstätigen wollten ihre Angehörigen so weit wie möglich selbst betreuen.

In Deutschland beziehen rund 2,25 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Mehr als 1,5 Millionen Pflegebedürftige werden durch Angehörige und ambulante Dienste zu Hause versorgt.

epd