Wachablösung am Hindukusch: Afghanen kommandieren wieder

Wachablösung am Hindukusch: Afghanen kommandieren wieder
Startsignal für den schrittweisen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan: Ab Juli wollen die Afghanen in sieben Regionen selbst für Sicherheit sorgen. Die Bundesregierung stockt das deutsche Kontingent trotzdem zunächst noch einmal auf.

Zu den sieben Regionen zählt unter anderem die nordafghanische Stadt Masar-i-Scharif, für die derzeit noch die Bundeswehr zuständig ist. Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung sei "nicht mehr umkehrbar". Trotzdem will die Bundesregierung das deutsche Kontingent in der internationalen Schutztruppe zunächst noch einmal aufstocken.

Bis zu 300 Soldaten sollen künftig zusätzlich in Awacs-Aufklärungsfliegern eingesetzt werden. Der Abzug der Bundeswehr soll trotzdem Ende des Jahres beginnen, wenn die Sicherheitslage es zulässt. Außenminister Guido Westerwelle bekräftigte diese Planung. "Die Abzugsperspektive, sie wird sichtbar", sagte der FDP-Chef.

Mehr als 5.000 deutsche Soldaten sind in Afghanistan

Die Nato hatte Ende 2010 beschlossen, den Kampfeinsatz am Hindukusch bis 2014 zu beenden und die Sicherheitsverantwortung für das Land bis dahin schrittweise an die Afghanen zu übergeben. Ausländische Soldaten sollen danach nur noch zur Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Truppen im Land bleiben. Derzeit sind mehr als 140.000 Soldaten aus den USA und zahlreichen Nato-Staaten in Afghanistan im Einsatz. Darunter sind mehr als 5.000 deutsche Soldaten.

Zu den Gebieten, die im Juli an die Afghanen übergeben werden sollen, zählt mit Masar-i-Scharif der Standort des Hauptquartiers der Bundeswehr und der Internationalen Schutztruppe Isaf für Nordafghanistan. Daneben werden Laschkarga, die Hauptstadt der südlichen Unruheprovinz Helmand, die westafghanische Provinzhauptstadt Herat und die Stadt Metharlam in der Provinz Laghman einbezogen.

Auch aus Kabul will sich die Nato zurückziehen

Auch aus den als relativ ruhig geltenden Provinzen Bamian und Pandschir in Zentral- und Ostafghanistan will sich die Nato zurückziehen. Mit Ausnahme des besonders gefährlichen Bezirkes Surobi ist zudem die Provinz Kabul betroffen. In der Hauptstadt selbst hatten afghanische Armee und Polizei bereits Ende 2008 inoffiziell die Verantwortung für die Sicherheit von der Nato übernommen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle betonte, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung bedeute nicht, "dass wir uns komplett aus den Gebieten zurückziehen". Ähnlich äußerte sich Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. "Wir sind entschlossen, kein Sicherheitsvakuum entstehen zu lassen, in dem Extremismus entstehen könnte." Ein Sprecher der radikal-islamischen Taliban nannte den Kommandowechsel am Dienstag einen "sinnlosen Prozess", der die Aktionen der Aufständischen nicht beeinflussen werde.

Die Bundesregierung will an diesem Mittwoch die Entsendung von Awacs-Kräften nach Afghanistan zur Entlastung der Bündnispartner in Libyen beschließen. Insgesamt werden damit künftig bis zu 5300
deutsche Soldaten in Afghanistan eingesetzt, mehr als je zuvor seit Beginn des Einsatzes 2001. Der Bundestag wird voraussichtlich am Freitag entscheiden. Die SPD als größte Oppositionspartei hat bereits
Zustimmung signalisiert. Kritik kam allerdings von den Grünen. "Damit entfernt sich die Bundesregierung von ihrem Versprechen, dass sie bis Ende des Jahres reduziert", sagte der Verteidigungsexperte Omid Nouripour der Nachrichtenagentur dpa.

dpa