Pfarrerverband: "Kirche bekommt Nachwuchsproblem"

Pfarrerverband: "Kirche bekommt Nachwuchsproblem"
Der Vorsitzende des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland, Klaus Weber, sieht auf die Kirchen ein Nachwuchsproblem zukommen. Er ist selbst Pfarrer in Altenkunstadt, Bayern, sieht das Problem aber über die Grenzen seiner Landeskirche hinaus. Dem Verband gehören 20.000 Pfarrer innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an.
22.03.2011
Die Fragen stellte Stephan Cezanne

Was ist dran am Pfarrermangel? Wohin geht die Entwicklung aus Sicht des Pfarrerverbandes?

Klaus Weber: Momentan gibt es in allen Landeskirchen genügend Pfarrerinnen und Pfarrer, um den kirchlichen Dienst in den Gemeinden und Einrichtungen wahrzunehmen. In einigen Landeskirchen gibt es sogar noch einen Überhang, für den keine ordentliche Pfarrstelle vorhanden ist. Man muss aber deutlich sehen, dass auf der einen Seite die Zahl der Theologiestudierenden seit Jahren auf einem niedrigen Niveau liegt und auf der anderen Seite in den nächsten zehn Jahren mit ernorm steigenden Zahlen an Ruhestandsversetzungen zu rechnen ist. Spätestens ab 2020 wird es zu einem ernstzunehmenden Pfarrermangel in allen Landeskirchen kommen, in einigen Landeskirchen schon wesentlich früher.

Haben Sie dazu Zahlen vorliegen?

Weber: Ich kann Ihnen Zahlen zur Entwicklung der Anwärterlisten in den einzelnen Landeskirchen geben. Sie haben eine bessere Aussagekraft als die Gesamtzahl der Theologiestudierenden. In die Anwärterliste lassen sich nur Studierende eintragen, die beabsichtigen, Pfarrerinnen und Pfarrer zu werden. Die letzten Zahlen, die dazu die EKD veröffentlicht hat, beziehen sich auf das Jahr 2009. Im genannten Jahr waren 2.421 Theologiestudierende auf den Anwärterlisten eingetragen. 1992 waren es noch 8.500.

Dazu nenne ich eine Zahl zu den Ruhestandsversetzungen aus der bayerischen Landeskirche, aus der ich komme. Ab 2020 werden von den etwa 2.500 aktiven Pfarrerinnen und Pfarrern in einem Zeitraum von 10 Jahren 1.000 in den Ruhestand treten. Etwa 30 nehmen pro Jahr in ihren Dienst neu auf. Die geringe Zahl der jungen Menschen, die nachkommt, kann die große Zahl der Ruhestandsversetzungen nicht ausgleichen. Durch die demografische Entwicklung und den zu erwartenden Rückgang an Gemeindegliedern werden wohl in den nächsten Jahren weitere Stellen abgebaut werden, aber für die verbleibenden Pfarrstellen reichen die dann vorhandenen Pfarrerinnen und Pfarrer dennoch nicht aus. Diese Entwicklung ist in allen Landeskirchen ähnlich.

War die Personalplanung der Landeskirchen in den vergangenen Jahren angemessen? Wie kommt es so plötzlich vom "Pfarrerberg" zum "Pfarrermangel"? Ist das allein der Demografie geschuldet?

Weber: Es wäre sicher zu einfach, die zu erwartende Entwicklung einer falschen Personalplanung zuzuschreiben. Der finanzielle Rahmen hat in vielen Landeskirchen nicht zugelassen, über den momentanen Bedarf zusätzliches Personal aufzunehmen und für spätere Zeiten vorzuhalten. Dennoch hat die restriktive Aufnahme- und Einstellungspolitik der vergangenen Jahre dazu geführt, dass junge Menschen abgeschreckt wurden, ein Theologiestudium zu ergreifen. Die Studierendenzahlen an den Universitäten sind ja allgemein gestiegen. Aber beim Theologiestudium hat es ernorme Einbrüche gegeben.

Muss der Pfarrberuf attraktiver gestaltet werden, um auch in Zukunft Menschen zum Theologiestudium zu bewegen?

Weber: Wir müssen deutlich machen, dass wir wieder verstärkt junge Menschen für den Dienst als Pfarrerinnen und Pfarrer brauchen und sie gute Aussichten haben, eine Anstellung in der Kirche zu erhalten. Attraktiver können wir den Pfarrberuf dadurch machen, dass wir das Profil schärfen. Momentan sieht es so aus, als wären der Pfarrer und die Pfarrerin für alles in der Gemeinde zuständig. Die Aufgaben nehmen auch deshalb immer mehr zu, weil Pfarrstellen abgebaut und die Arbeit auf die verbleibenden Pfarrerinnen und Pfarrer verteilt wird. Ohne dass klar gesagt und festgelegt wird, wofür die Pfarrerinnen und Pfarrer zuständig sein sollen und welche Aufgaben nicht in ihrer Verantwortung liegen, kann die Arbeit in Zukunft nicht mehr geleistet werden.