TV-Tipp: "Tatort: Mord in der ersten Liga" (ARD)

TV-Tipp: "Tatort: Mord in der ersten Liga" (ARD)
Charlotte Lindholm sucht den Mörder eines Fußballspielers. Verschiedene Hinweise lassen die LKA-Kommissarin vermuten, er könne homosexuell gewesen sein.
18.03.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Mord in der ersten Liga", 20. März, 20.15 Uhr im Ersten

Ganz schön mutig vom NDR, der mit diesem "Tatort" aus Hannover gleich zwei heiße Eisen anpackt. Homosexualität im Fußball: Das ist nicht nur bei den Profis nach wie vor ein Tabu. Dabei spricht schon allein die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich auch in der Bundesliga schwule Kicker tummeln. DFB-Boss Theo Zwanziger hat Maria Furtwängler dazu angeregt, dieses verdrängte Thema zum Gegenstand eines "Tatort"-Krimis zu machen. Und weil er einmal dabei war, ergänzte Autor Harald Göckeritz die Handlung um einen weiteren wunden Punkt. Auch über "Hooligans" wird nur ungern berichtet: gewalttätige Fan-Gruppen, die sich fernab von den Ordnungshütern treffen, um sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen.

Auch der Einstieg in die Geschichte ist etwas Besonderes. Die brodelnde Stimmung beim Nordderby zwischen Hannover 96 und dem Hamburger SV ist die perfekte Kulisse, um auf den Fall einzustimmen: Charlotte Lindholm sucht den Mörder eines Fußballspielers. Verschiedene Hinweise lassen die LKA-Kommissarin vermuten, er könne homosexuell gewesen sein. Gleichzeitig gab es Gerüchte über einen Wechsel nach Italien; beides Grund genug für die Hooligan-Szene, in einem Internetforum unverblümte Morddrohungen zu formulieren. Als sich Lindholm zwischen die Gewalttäter mischt, eine geradezu tollkühne Aktion für eine Frau, treibt Göckeritz seine Geschichte auf die Spitze: Unter den Hooligans tummelt sich ein Journalist (Benjamin Sadler), der verdeckt recherchiert. Dieser Jan Liebermann, sein Name legt es nahe, gibt sich ähnlich wie Lindholm aus Angst vor allzu viel Nähe ganz hart, ist aber innen ganz weich. Prompt knistert es zwischen den beiden Einzelgängern, und zwar nicht obwohl, sondern gerade weil Furtwängler und Sadler die entsprechenden Szenen körperlich distanziert spielen.

Lindholms erste Begegnung mit dem neuen Kollegen

Eine weitere neue Figur bereichert die Geschichte aber fast noch mehr: Der etwas ältliche Kollege Näter, den man Lindholm zuteilt, wird von Fritz Roth fast komödiantisch dargestellt. Wunderbar ausgedacht und umgesetzt ist das erste Aufeinandertreffen der beiden, als die Kommissarin in der Nähe des Tatorts ein mit allen nur denkbaren Hannover-96-Devotionalien geschmücktes Auto entdeckt und unverblümt feststellt, der Besitzer müsse ein "Fußball-Bekloppter" sein. Natürlich ist es Näters Wagen. Der Club ist sein Leben; sein Büro hat der Mann ähnlich ausstaffiert.

Auch der Film hätte etwas überfrachtet wirken können, zumal Göckeritz mit dem ehrgeizigen Manager (Alexander Held) des toten Kickers und einem tatsächlich homosexuellen Fußballer noch weitere Figuren ins Spiel bringt. Aber dank der Regie von Nils Willbrandt, der kürzlich auch den dynamischen "Tatort" aus Hamburg ("Leben gegen Leben") inszeniert hat, ist "Mord in der ersten Liga" ein komplexer und fesselnder Krimi. Deshalb kann man auch verschmerzen, dass sich ausgerechnet die Heldin aller beruflichen Erfahrung zum Trotz mitunter wie eine Anfängerin verhält.

Hannover 96 ist die Bereitschaft zur Kooperation hoch anzurechnen. Offenbar standen dem Team rund um Willbrandt alle Türen offen; den entsprechenden Szenen verdankt der Film viel von seiner authentischen Wirkung. Und die Liebesgeschichte zwischen Lindholm und Liebermann ist noch längst nicht auserzählt. Das ist zwar schön; aber für die Männer im Leben der Kommissarin hat es selten ein gutes Ende genommen.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).