Kampf an zwei Fronten gegen den Super-GAU in Fukushima

Kampf an zwei Fronten gegen den Super-GAU in Fukushima
Mit aller Macht kämpft Japan gegen den Super-GAU: Die Feuerwehr versucht erneut, die Reaktoren mit Wasserfontänen zu kühlen. Ingenieure arbeiten daran, das havarierte Atomkraftwerk an eine neue Stromleitung anzuschließen. Derweil leiden die Flüchtlinge eine Woche nach der Naturkatastrophe unter Frost. Mindestens 25 sind schon gestorben.

Auf zwei Wegen wollen die Techniker im havarierten Atomkraftwerk Fukushima Eins die Kontrolle über die beschädigten Reaktoren zurückgewinnen. Am Freitagmittag (Ortszeit) begann die Armee erneut, Reaktor 3 mit Wasserwerfern zu kühlen. Diese Methode soll auch bei Block 4 und womöglich auch bei Block 1 helfen. Bei den Reaktoren 1 und 2 soll zudem eine neu verlegte Stromleitung das Kühlsystem wieder zum Laufen bringen. Die sieben führenden Industrienationen G7 wollen sich gemeinsam gegen die Aufwertung des japanischen Yens stemmen. Unterdessen spitzt sich die Lage für die Obdachlosen eine Woche nach der Naturkatastrophe zu.

Kampf an zwei Fronten gegen Super-GAU

Der Versuch für die neue Stromanbindung der beiden Blöcke 1 und 2 solle noch am Freitag starten, berichtete ein Sprecher der japanischen Atomsicherheitsbehörde NISA am Freitagmorgen (Ortszeit) im Fernsehsender NHK. Für Sonntag sei auch ein Anschluss der Reaktoren 3 und 4 geplant.

Zunächst soll dort weiter mit Wasserwerfern von außen gekühlt werden. Am Morgen waren nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo dafür rund 140 Feuerwehrleute auf dem Weg zum Kraftwerk, um die Armee zu unterstützen. Einen zuvor geplanten zweiten Einsatz der Armee-Helikopter sollte es zumindest am Freitag nicht geben.

In Block 3 ist das hochgiftige Plutonium enthalten, in Block 4 droht das Abklingbecken voller abgebrannter Brennstäbe zu überhitzen und todbringende Strahlung freizusetzen. Nach dem Manöver am Vortag sei die Intensität der radioaktiven Strahlung leicht zurückgegangen, berichteten NHK und Kyodo unter Berufung auf den AKW-Betreiber Tepco.

Wie Regierungssprecher Yukio Edano am Freitag erklärte, wird auch für Reaktor 1 eine Kühlung mit Wasser von außen geprüft. Das würde die Situation entschärfen. Die am AKW gemessene radioaktive Strahlung sei derzeit nicht so stark, dass sie direkte Gesundheitsschäden hervorrufe. Die Messungen sollten jedoch ausgeweitet werden. "Wir wollen die Beobachtungen in der Umgebung erhöhen für weitere Analysen." Edano nannte einen Radius von 30 Kilometern.

Blöcke 5 und 6 noch weitgehend stabil

Die übrigen zwei Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima Eins, die Blöcke 5 und 6, sind noch weitgehend stabil. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA vom Donnerstag gibt es dort «keine unmittelbaren Bedenken». Die Kerne und Brennstäbe seien nicht beschädigt und die Temperatur in den Abklingbecken steige nur leicht.

Am Freitag hatten die G7-Finanzminister und Notenbankpräsidenten in einer Telefonkonferenz beschlossen, den starken Anstieg des Yens zu bremsen. Japan, die USA, Großbritannien, Kanada und die Europäische Union tätigten koordinierte Verkäufe der japanischen Währung und Ankäufe des Dollars. Der japanische Aktienmarkt erholte sich daraufhin spürbar. Gut eine Stunde nach Handelsbeginn hatte der Nikkei-Index für 225 führende Werte knapp 3 Prozent zugelegt.

Kälteeinbruch fordert 25 Tote

Die Folgen von Erdbeben und Wasserwalze, die steigende Atom-Gefahr und Eiseskälte setzen den obdachlosen Japanern immer heftiger zu. In Turnhallen ohne Heizung kauern Menschen eng aneinander, um sich gegenseitig Wärme zu spenden, wie der TV-Sender NHK zeigte. Bilder aus dem stark zerstörten Nordosten zeigten frierende Menschen, die Holz oder ähnlichen Brennstoff in Tonnen verfeuerten. Etwa eine halbe Million Menschen soll derzeit obdachlos sein.

NHK zufolge sind mindestens 25 Flüchtlinge schon gestorben. Sie seien meist alt und total entkräftet gewesen - womöglich wären sie ohne den Kälteeinbruch noch am Leben. Neben dem Problem mit der Kälte fehle es weiterhin an Trinkwasser und Essen. Die Flüchtlinge in der Unglücksprovinz Miyagi sind aufgefordert, auf die benachbarten Präfekturen auszuweichen. Grund sei der akute Platzmangel in den Notunterkünften, wie Kyodo berichtete. In Fukushima südlich von Miyagi sind ebenfalls viele Lager überfüllt.

Im Nordosten Japans kehrt langsam etwas Normalität zurück

Derweil kehrt in einige Regionen im Nordosten langsam etwas Normalität zurück. In einer Einkaufsstraße in Sendai öffneten zum Beispiel fast alle Geschäfte wieder, berichtete Kyodo. Auch Läden in Tome boten den Kunden das Nötigste, nachdem die Stromversorgung wieder aufgebaut worden war. Zerstörte Straßen, Flughäfen und Häfen seien wieder soweit intakt, dass Rettungskräfte in die Katastrophengebiete vordringen sowie Flugzeuge und Helikopter starten und landen können. Rund 90.000 Helfer sind im Einsatz.

Bei dem verheerenden Erdbeben und dem anschließenden Tsunami kamen nach neusten Angaben bislang mehr als 6.400 Menschen ums Leben, über 10.000 werden noch immer vermisst.

Mehrere Staaten riefen ihre Landsleute auf, die Krisenregionen zu verlassen. Die neuseeländische Regierung warnte laut Kyodo sogar vor dem Aufenthalt in der rund 250 Kilometer vom AKW entfernten Hauptstadt Tokio.

dpa