"Es ist eine lange Tradition in Europa, Menschen Asyl zu geben, die in ihrer Heimat nicht sicher sind", sagte EU-Nothilfekommissarin Kristalina Georgiewa in einem Gespräch mit dem epd. "Ich bin zuversichtlich, dass die Europäer auch in dieser Krise Solidarität demonstrieren. Dazu gehört im Bedarfsfall auch das Asyl."
Auf der anderen Seite könne Europa Drittländer finanziell bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützen, sagte Georgiewa. Dies geschehe bereits in anderen Flüchtlingskrisen: So helfe die EU etwa dem Jemen dabei, Hunderttausende Menschen aus Somalia zu beherbergen und zu versorgen.
Die Art der EU-Hilfe müsse auch davon abhängen, wie die Situation sich weiter entwickele, sagte Georgiewa. Sie zeigte sich beunruhigt darüber, dass sich die Zusammensetzung der Flüchtlingsströme Richtung Tunesien, Ägypten und andere Länder derzeit verändere. Unter die fliehenden Gastarbeiter hätten sich in den letzten Tagen auch mehrere tausend Libyer gemischt: "Das sind keine gesunden Männer, sondern häufig Frauen, Kinder, alte Menschen."
UN-Schätzung: Bald 400.000 Flüchtlinge?
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Die humanitäre Situation in Libyen und seinen Nachbarländern werde sich mit Sicherheit weiter verschlechtern, warnte Georgiewa. In Libyen selbst seien viele Menschen derzeit vollständig von Hilfe abgeschnitten. Die Kommissarin verwies auf UN-Schätzungen, laut denen sich die Zahl der Flüchtlinge in Libyens Nachbarländern auf 400.000 erhöhen könnte. Bisher haben weit über 200.000 Menschen das Land verlassen. Etwaige militärische Eingriffe des Auslands müssten in jedem Fall mit humanitären Experten abgestimmt werden, unterstrich Georgiewa.
Die Kommissarin zeigte sich zufrieden mit der bisherigen Unterstützung der EU-Staaten. Laut ihren Angaben haben die europäischen Länder bisher über 23 Millionen Euro bereitgestellt, während die EU-Kommission selbst 30 Millionen Euro freigegeben hat. Damit sei die Hälfte der UN-Hilfsanfrage über 113 Millionen Euro abgedeckt. Das Geld fließt unter anderem in den Heimtransport der Gastarbeiter, in Notunterkünfte und in Hilfsgüter-Vorräte auf libyschem Boden. Die EU-Staaten haben auch Flugzeuge und Schiffe in die Region geschickt.
Das Europäische Parlament in Straßburg will an diesem Mittwoch über die Libyen-Krise debattieren. Am Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung der EU-Außenminister in Brüssel. Am Freitag berät die EU auf höchster Ebene über die Geschehnisse: Die 27 Staats- und Regierungschefs werden zu einem Libyen-Sondergipfel in der belgischen Hauptstadt zusammenkommen.