Der Biosprit-Motor soll auf Touren kommen

Der Biosprit-Motor soll auf Touren kommen
Von der "Zankstelle E10" war schon die Rede. Den teils heftigen Schuldzuweisungen folgte ein "Benzingipfel" aller Beteiligten mit dem Ergebnis: "Augen zu und durch". Nun sind die Verbraucher am Zug. Sie werden mit ihrem Geld an der Tankstelle über den Biosprit abstimmen.
09.03.2011
Von Georg Ismar und Marc-Oliver von Riegen

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) weiß selbst nicht so genau, ob er sein 13 Jahre altes Auto mit Biosprit betanken kann. Am Dienstag stellt er nach dem "Benzingipfel" die für Millionen Autofahrer entscheidende Frage: "Verträgt mein Motor E10 oder verträgt er es nicht?" Nachdem er an Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vorbei das Spitzentreffen von Politik und Wirtschaft einberufen hatte, muss er Röttgen bei dem Gang vor die Presse weitgehend den Vortritt lassen. Und der CDU-Vize Röttgen lässt keinen Zweifel: Der Biosprit bleibt und er will dafür kämpfen.

Kontroverse Diskussion hinter verschlossenen Türen

Hinter verschlossenen Türen wurde zuvor kontrovers diskutiert. Von teils skurrilen Diskussionen ist die Rede. So habe ausgerechnet der Mineralölwirtschaftsverband eine Umfrage präsentiert, wonach 57 Prozent der Autofahrer E10 ablehne.

Über einen Plan B, wenn E10 nun trotz mehr Infos nicht angenommen wird, wollte Röttgen im Anschluss nicht sprechen, er holt stattdessen die große Keule raus und listet die Folge der Alternativen auf, wenn man weiter einseitig auf Öl setze: Ein Gaddafi als Lieferant, der in Libyen sein eigenes Volk bombardiere. "Das Bioethanol braucht den Vergleich mit Gaddafis Öl nicht zu scheuen", sagt er.

Und er fragt, ob denn schon die schlimmen Bilder der Ölpest im Golf von Mexiko von 2010 vergessen seien? Brüderle betont lediglich, die Beteiligten seien sich einig, dass alle nun besser informieren müssen. Er selbst hatte zuvor betont, eine "Atempause" könne hilfreich seien, um erstmal die Motorenverträglichkeit besser zu klären. Ein Wackeln bei E10 war mit Röttgen aber nicht zu machen.

Lässt sich das Projekt noch ins Positive fahren?

Schon an Tankstellen soll nun ein Blick in die 23 Seiten lange Liste der Deutschen-Automobil-Treuhand (DAT) möglich sein, wo alle E10-verträgliche Modelle aufgeführt sind. Und die Automobilhersteller wollen haften, wenn der Motor E10 doch nicht verträgt. Lässt sich das Projekt noch ins Positive fahren? Aus Teilnehmerkreisen heißt es: Ja, wenn alle sich an das halten, was vereinbart ist.

Entscheidend sind die nächsten Tage. Bisher ist E10 weit hinter den Erwartungen zurück: Nur knapp 40 Prozent des verkauften Super-Kraftstoffs sind bisher E10 statt der erwarteten 90 Prozent.

Doch wie lange hält die mühsam kreierte Einheitsfront? Klaus Picard, einflussreicher Chef-Lobbyist der Mineralölbranche, gibt sich reumütig und verspricht mehr Werbung: "Das Produkt wartet", sagt er mit Blick auf volle E10-Tanks in Raffinerien und an Tankstellen. Doch dass jetzt auch rasch die Einführung an den noch rund 8.000 E10-freien Tankstellen startet, sagt er nicht.

Es ist unklar, ob der "Benzingipfel", der vom ökologischen Verkehrsclub VCD wegen der mauen Ergebnisse als "Höhepunkt des Berliner Karnevals" tituliert wurde, nun rasch weiterhilft. Denn es geht um Grundsätzliches.

Haften die Hersteller auch nach fünf, sechs Jahren noch bei Motorschäden? Das steht bisher nicht zur Debatte. Es gibt Sorgen, mit E10 werde die Abholzung der Regenwälder forciert. Und viele denken, E10 sei in Sachen Klimaschutz eine Mogelpackung. "Allein ein Tempolimit von 120 auf deutschen Autobahnen und die Produktion sparsamer Autos würde mehr Klimagase reduzieren als alle Biokraftstoffe", sagt BUND-Chef Hubert Weiger. Für viele Autofahrer ist es auch ein Argument, dass sich mit E10 weniger Strecke zurücklegen lässt als mit dem alten Super-Benzin.

"Für deutsches Bioethanol werden keine Regenwälder abgeholzt"

Allein in einer der größten deutschen Raffinerien in Schwedt an der Oder wurden im Februar 40.000 Tonnen E10 hergestellt. Die Produktion haben sie dort inzwischen gedrosselt, weil die Tankstellen in und um Berlin so viel Biosprit nicht anfordern. BP verzichtet vorerst darauf, die Raffinerie Gelsenkirchen auf E10 umzustellen. Beim stattdessen getankten und acht Cent teureren Super Plus herrschen hingegen teils massive Engpässe.

Die Konzerne würden ohne weiteres zum alten Super-Benzin mit fünf Prozent Ethanol zurückkehren, das paradoxerweise immer ohne Aufschrei getankt wurde. Aus der Biospritbranche hieß es am Rande des Treffens: Die größte Sorge sei es, dass die Biokraftstoffquote von derzeit 6,25 Prozent wegen der E10-Absatzprobleme gesenkt wird. "Das wäre ein Riesensieg für die Mineralölindustrie und eine Niederlage für den Klimaschutz." Millioneninvestitionen wären gefährdet. Als am vergangenen Donnerstag die Nachricht von einem Stopp der weiteren E10-Einführung die Runde machte, rauschte erstmal die Aktie des Biosprit-Herstellers Crop-Energies aus Mannheim in den Keller.

In der E10-Debatte wurde trotz Libyen-Krise wenig darüber geredet, wie es ohne weniger Öl gehen soll. Claus Sauter, Chef des Verbands der Biokraftstoffindustrie, betont, man führe die Diskussion wie vor drei Jahren. Damals hatte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) einen ersten E10-Anlauf abgesagt. Deutschland habe inzwischen mit die strengsten Nachhaltigkeitsregelungen beim Biosprit. Mit Blick auf die "Tank-Teller-Debatte" sagt er, an der Weltagrarfläche hätten Biokraftstoffe einen Anteil von 1,5 Prozent. "Und für deutsches Bioethanol werden keine Regenwälder abgeholzt", sagt Sauter.

Özdemir: "E10 löst unsere Probleme nicht"

Nach Ansicht des Grünen-Chefs Cem Özdemir reduziert die Bundesregierung ihre Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr auf den Biosprit E10. "E10 löst unsere Probleme nicht", kritisierte Özdemir am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Der Biokraftstoff E10 sei die uneffizienteste Weise, den CO2-Ausstoß zu verringern. Auch der Autoverkehr müsse seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten: "Dazu gehört ein Tempolimit, Elektromobilität, Hybridfahrzeuge und die Förderung des öffentlichen Verkehrs", sagte Özdemir.

Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat Tankstellen, Kfz-Werkstätten und Autohersteller aufgefordert, den Autofahrern nun schnell ausreichend Informationsmaterial über die Verträglichkeit von E10-Biosprit zur Verfügung zu stellen. Die Vereinbarungen des "Benzingipfels" müssten rasch umgesetzt werden, sagte Aigner der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wichtig ist jetzt, dass die Verbraucher verlässliche Angaben bekommen, und zwar sowohl vor Ort bei den Tankstellen als auch bei den Kfz-Werkstätten zum Beispiel oder über das Internet oder über eine Hotline".

dpa