Der neue Innenminister, die CSU und der Islam

Der neue Innenminister, die CSU und der Islam
Zum wiederholten Male wird in Berlin heftig über die Rolle des Islam in Deutschland diskutiert. Innenminister Friedrich bleibt bei seiner umstrittenen Position, betont aber auch seine Dialogbereitschaft mit den Muslimen. Der Islam ist schon länger ein Reizthema für die CSU.
07.03.2011
Von Bettina Grachtrup

Die Pressekonferenz neigte sich bereits dem Ende entgegen, als die Frage kam. Im Herbst habe er - Hans-Peter Friedrich - gegen die Worte von Bundespräsident Christian Wulff protestiert, wonach der Islam inzwischen auch Teil von Deutschland sei. Ob er bei seiner Meinung bleibe, wird der neue CSU-Innenminister kurz nach seinem Amtsantritt gefragt. Dieser antwortet, dass die in der Bundesrepublik lebenden Menschen islamischen Glaubens natürlich zu Deutschland gehören. "Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt."

Seitdem diskutiert das politische Berlin wieder heftig über die Frage, wie man es mit dem Islam in Deutschland hält. Die Opposition spricht von einem Fehlstart des neuen Innenministers, der postwendend auch harsche Kritik muslimischer Vereine erntete. Man kann - wie kürzlich Regierungssprecher Steffen Seibert - fragen, ob man nicht von "Definitionskämpfen" ablassen und sich lieber konkreten Integrationsfragen zuwenden sollte. Oder ob die Bürger sich für diesen Streit wirklich brennend interessieren. Oder ob man Friedrich nicht besser später an seinen Taten als Innenminister messen sollte.

Die CSU will die konservativen Wähler nicht verlieren

Friedrichs Worte stehen aber in einem größeren Kontext. In der CSU gibt es seit längerem eine Angst vor einer dauerhaften Entfremdung konservativer Wähler. Gerade beim Thema Muslime versucht die Partei, sich auch von der CDU absetzen. Vielen in der CSU ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht konservativ genug. Es gehört aber zu den ehernen CSU-Grundsätzen, dass es rechts von der Union keinen Raum für eine weitere demokratische Partei geben darf. Im Zuge der Islamdebatte im Herbst beschloss die CSU eine härtere Gangart gegen Integrationsverweigerer und strengere Regeln für den Zuzug von Ausländern. Wer dauerhaft in Deutschland leben wolle, müsse sich in die "deutsche Leitkultur" integrieren und die Sprache erlernen.

Die "deutsche Leitkultur" ist es auch, die CSU-Politiker jetzt wieder anbringen, wenn sie dem neuen Innenminister beispringen. "Natürlich gibt es Muslime in Deutschland, aber der Islam ist nicht Teil der deutschen Leitkultur", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der "Welt am Sonntag". "Unsere in Deutschland geltenden Werte kommen aus der Tradition von Christentum, Judentum und Aufklärung, aber mit Sicherheit nicht aus dem Islam."

In der Debatte schwingt das Thema Gleichstellung von Religionen mit. SPD und Grüne sprachen sich wiederholt dafür aus, religiöse Vereinigungen des Islams rechtlich auf gleiche Stufe mit den christlichen Kirchen zu stellen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts genießen anerkannte Religionsgemeinschaften einen höheren staatlichen Schutz und erhalten Kirchensteuer. Konservative stellen angesichts solcher Forderungen die Frage, wie es Muslime angesichts von Zwangsverheiratungen und Ehrenmorden denn eigentlich mit dem Grundgesetz halten.

Wie weiter mit der Islamkonferenz?

Mit Friedrich besetzt die CSU nun ein Schlüsselressort in der Bundesregierung. Daran hängt die Deutsche Islamkonferenz, die der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Jahr 2006 ins Leben gerufen hatte, um die Integration der rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime voranzubringen. Auch schon unter Friedrichs Amtsvorgänger, Innenminister Thomas de Maizière (CDU), gab es Gezerre um Zusammensetzung und Themen der Islamkonferenz. Kritiker zweifeln daran, ob die in dem Gremium vertretenen Verbände und Einzelpersonen überhaupt die Muslime in Deutschland insgesamt repräsentieren.

Wie Friedrich mit der Islamkonferenz nun weiter umgeht, wird mit Spannung erwartet. Am Wochenende kündigte der neue Ressortchef an, er wolle den Dialog mit den Muslimen vorantreiben. Damit schlug er versöhnliche Töne an, ohne aber von seiner Position - Muslime gehören zu Deutschland, der Islam aber im historischen Sinne nicht - abzurücken. Friedrich sagt, er freue sich auf die Gespräche.

"Durch den Glauben der Muslime ist auch der Islam da"

Die Türkische Gemeinde in Deutschland nahm die Äußerungen des neuen Innenministers skeptisch auf. Unter den islamischen Verbänden hätten die Äußerungen Friedrichs, es gebe keine historischen Belege für den Einfluss des Islam auf Europa, für "große Enttäuschung" gesorgt, sagte Verbandschef Kenan Kolat der Berliner Zeitung vom Montag.

Kolat hofft, dass Friedrich sein Gesprächsangebot ernst meint und "eine ehrliche Debatte" über den historischen Einfluss des Islam auf Europa führen will. Die Einschätzung des Ministers, der Islam spiele keine Rolle im christlich-jüdischen Europa, sei "total falsch". Nicht nur habe die islamische Welt die Schriften der Antike gesichert und übersetzt, die dann als Grundlage der europäischen Aufklärung dienten, argumentierte der Gemeinde-Vorsitzende. Auch stammten viele Wörter des deutschen Sprachgebrauchs aus dem Arabischen.

Verschiedene Ansichten bei Protestanten

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, kritiserte Friedrich: "Durch den Glauben der Muslime in Deutschland ist auch der Islam da", sagte Schneider der Frankfurter Rundschau" vom Montag. Gleichzeitig gab er zu bedenken, als organisierte Religion, als gesprächsfähiger Partner, sei der Islam "noch sehr am Anfang. Da muss er in der Tat noch richtig ankommen."

Auf ausdrückliche Zustimmung stieß Friedrichs Islamkritik beim Vorsitzenden der konservativen "Konferenz Bekennender Gemeinschaften", Ulrich Rüß. Es gelte "unbestritten", dass Kultur und Tradition Deutschlands sich dem Christentum verdankten, sagte der Hamburger Pastor dem epd. Friedrich habe mutig die historische Wahrheit ausgesprochen, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Die "Konferenz Bekennender Gemeinschaften" vertritt konservative Christen in den evangelischen Landeskirchen.

dpa/epd