Weltmacht USA schaut auf Libyen - was sind die Optionen?

Weltmacht USA schaut auf Libyen - was sind die Optionen?
Das Blutbad in Libyen wird immer schlimmer - und die USA schauen zu. Zwar spielen die Militärs hinter den Kulissen alle möglichen Szenarien durch. Doch in Wirklichkeit zögert die Weltmacht.
05.03.2011
Von Peer Meinert

Selten hat Barack Obama so lange gezögert und gezaudert. Es dauerte Wochen, bis der US-Präsident öffentlich wenigstens den Abgang von Muammar al-Gaddafi forderte. Doch noch immer haben die USA das Heft des Handelns nicht in die Hand genommen. Scheinbar hilflos schaut die "Weltmacht Number One" dem Gemetzel in Libyen zu. Zwar heißt es offiziell: Alle Optionen sind offen. Doch in Wahrheit sind die Möglichkeiten beschränkt - Libyen gilt US-Militärs als riskantes Pflaster.

Vor allem die erbitterten Kämpfe um die Stadt Al-Sawija, wo Gaddafi-Einheiten mit schweren Waffen vorgehen, setzen die USA weiter unter Druck. Augenzeugen in Al-Sawija berichteten dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira, dass sich aus Richtung Tripolis kommend 35 Panzer auf die Stadt zubewegten, bei Kämpfen am Freitag und Samstag waren nach Angaben von Ärzten mindestens 30 Tote zu beklagen, vermutlich mehr. Der Präsident sei entsetzt, berichtet der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. Dreimal täglich lasse Obama sich jetzt von seinen Experten über die Lage informieren - ein klares Zeichen, wie ernst der "commander in chief" die Lage nimmt.

US-Militär spielt auf Zeit

"Wir nehmen keine Option vom Tisch", betont Carney - ohne jedoch zu sagen, um welche Alternativen es sich tatsächlich handelt. Doch eines wird immer deutlicher: Der Druck für die Weltmacht USA zu handeln, nimmt zu, je blutiger und grausamer der Kampf in Libyen wird. So warnt denn die "Washington Post" angesichts der Schlacht um Al-Sawija: "Der Einsatz für Washington erhöht sich." Die Frage ist: Wie lange können die USA weiterhin tatenlos zuschauen?

Doch die Militärs sind skeptisch, spielen auf Zeit, wiegeln ab. "Es gibt ehrlich gesagt, eine Menge loses Gerede über einige dieser militärischen Optionen", bremste Verteidigungsminister Robert Gates in ungewöhnlich ungeschminkter Manier. Vor allem die immer wieder ins Spiel gebrachte Möglichkeit einer Flugverbotszone irritiert den Minister - die Sache sei riskant und gefährlich, es handele sich um Krieg.

"Lasst uns die Sache beim Namen nennen", meinte Gates kürzlich vor einem Kongressausschuss. "Eine Flugverbotszone beginnt mit einem Angriff auf Libyen, um die Flugabwehr zu zerstören." Konkret: US-Kampfjets müssten die libysche Luftwaffe sowie alle Flugabwehrraketen ausschalten. Intern warnen Militärs: Die libysche Abwehr sei effektiver als die irakische beim US-Angriff auf Bagdad 2003.

Wie weit kann Gaddafi gehen?

Immerhin, die US-Militärs sind dabei, für den "Fall der Fälle" Vorbereitungen zu treffen - falls eine Intervention unausweichlich erscheint. So ist etwa der Hubschrauberträger "USS Kearsarge" mit 1.200 Mann an Bord, darunter fast 800 Marineinfanteristen, in Kreta eingetroffen, wie der griechische Rundfunk meldet. Das Schiff eignet sich für Landungsunternehmen und Evakuierungsaktionen. Schon am Donnerstag waren auf der Mittelmeerinsel 400 amerikanische Soldaten gelandet, verlautete aus diplomatischen Quellen.

Obamas größte Angst ist es, dass sich Gaddafi im Bunker verschanzen könnte, die Kämpfe immer schlimmer werden, die Lage in dem nordafrikanischen Land völlig außer Kontrolle gerät und der Bürgerkrieg offen ausbricht. Das Kalkül Washingtons: Dann könnten sich die USA nicht mehr zurückhalten. Immer wieder ist in Washington hinter vorgehaltener Hand von einer "roten Linie" die Rede, die Gaddafi nicht überschreiten dürfe. Nur sagt niemand, wo diese Linie genau gezogen wird.

Sogar das Verteilen von Lebensmitteln in der Noch-Gaddafi-Hochburg Tripolis hat Obama bereits ins Auge gefasst, falls sich die Lage weiter zuspitzt und Gaddafi weiterkämpfen sollte. Doch ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger George W. Bush macht Obama unmissverständlich klar: Alleingänge der USA wird es nicht geben, alles wird mit der internationalen Gemeinschaft abgestimmt. Im Klartext: Auch Nato und arabische Liga werden im "Fall der Fälle" gefordert sein.

Bundespräsident Wulff: Europa ist bereit, zu helfen

Schon jetzt sind Truppen von Nato-Staaten im Einsatz für Flüchtlinge, darunter auch die deutsche Marine. Zwei Fregatten und ein Einsatzgruppenversorger gingen am Samstag vor der tunesischen Hafenstadt Gabes vor Anker gegangen und nahmen aus Libyen geflohene ägyptische Gastarbeiter an Bord, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Nachrichtenagentur dpa. Sie sollen in den ägyptischen Hafen Alexandria gebracht werden. Die Hilfsaktion wird vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) koordiniert.

Drei niederländische Marineflieger, die bei einer missglückten Befreiungsaktion in Libyen in Gefangenschaft geraten sind, werden jetzt der Spionage bezichtigt. Wie der niederländische Rundfunk NOS am Samstag unter Berufung auf das libysche Staatsfernsehen berichtete, betrachtet das Regime sie als Teil einer "internationalen Verschwörung" gegen Gaddafi. Die Soldaten wollten mit ihrem Hubschrauber zwei Niederländer aus Sirte ausfliegen, wurden aber nach der Landung von Gaddafi-treuen Milizen festgenommen.

Bundespräsident Christian Wulff sagte unterdessen in einem Interview des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira, die europäischen Staaten seien bereit, die Bestrebungen der revolutionären Kräfte in Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Staaten zu unterstützen und ihnen beim Aufbau demokratischer Strukturen zu helfen. Wichtig sei, dass Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten dabei nicht vernachlässigt würden. Man dürfe radikalen Islamisten-Gruppen nicht die Chance geben, diese Umbruchphase für ihre Zwecke auszunutzen.

dpa