"Stadtgeflüster - Sex nach Fünf", 8. März, 20.15 Uhr auf Sat.1
Die Bilder sind von sommerlicher Wärme durchdrungen und bonbonbunt: Optisch ist "Stadtgeflüster" ein Film zum Wohlfühlen. Auch die Geschichte ist bei aller Konstruiertheit durchaus witzig und unterhaltsam. Bloß die Umsetzung ist mitunter etwas zäh; als romantische Komödie für eine eher junge Zielgruppe könnte Josh Broeckers Inszenierung ruhig ein bisschen munterer sein. Trotzdem macht es durchaus Spaß zu beobachten, wie die zwei Frauen aneinander vorbei reden: Nach ihrer zweiten gescheiterten Ehe sucht Wäschereibesitzerin Jule (Sophie Schütt) Rat bei Radiomoderatorin Ariane (Ulrike Folkerts).
Deren Anrufsendung laufen gerade die Hörer davon, aber Jule entpuppt sich als Rettung: Sie hat sich in einen elf Jahre jüngeren Mann verliebt, und nun verfolgt die halbe Stadt gebannt, wie sich die Beziehung entwickelt. Als Ariane klar wird, dass es sich bei Jules jugendlichem Schwarm (Stefan Murr) um ihren Sohn handelt, tut sie alles, um die Beziehung zu sabotieren. Ihrem Chef (Martin Brambach) wiederum passt es überhaupt nicht, dass seine Moderatorin kalt lächelnd die Gans, die für goldene Quoten sorgt, schlachten will.
Die Besetzung des jungen Mannes ist zwar einigermaßen absurd, denn im wirklichen Leben ist Murr bloß zwei Jahre jünger als Schütt. Gerade in den Szenen mit vermeintlich Gleichaltrigen sieht man Murr an, dass er schon eine ganze Weile nicht mehr Ende zwanzig ist. Deshalb wirkt das Entsetzen der Radiomoderatorin auch etwas unplausibel. Gleiches gilt für ihre sozialen Vorbehalte: Während ihr Sohn Karriere als Wissenschaftler machen soll, betrachtet sie die alleinerziehende Jule als potenzielle Hartz-IV-Empfängerin.
Mischung aus Dr. Sommer und Erika Berger
Ulrike Folkerts wäre einem als Mischung aus Dr. Sommer und Erika Berger nicht als erstes in den Sinn gekommen, und Sophie Schütt muss vor allem hübsch sein. Um so mehr Raum bleibt für die Nebendarsteller. Murr macht seine Sache richtig gut, der ohnehin enorm präsente Martin Brambach gibt mit Lust den quotenfixierten Radiomanager, und der junge Thilo Berndt hat als Jules Sohn auch mit den weniger kindgerechten Dialogen keine Mühe (Buch: Kerstin Wiedé).
Wie so oft in Filmen dieser Art sorgen sowieso die Miniaturen am Rande für eine Komplexität, die das dramaturgische Korsett nicht zu bieten hat; etwa die Nebenhandlung mit dem gehörlosen Paar, das bei Ariane schriftlich um Rat ersucht, bevor es ein Kind zeugt. Ein zweites Pärchen ist so auf Sex fixiert, dass es kaum ein Wort miteinander wechselt. Ähnlich einsilbig ist ein Vermieter, der Jule helfen soll, ihren Traum vom eigenen Café zu realisieren. Sie findet immer neue Mängel und will die Miete drücken, er antwortet jedes mal: "Zweieinhalb, oder gehst du woanders." Reizvoll ist auch der Kontrast zwischen der eleganten Gebärdensprache des gehörlosen Paares und der ungeschlachten nonverbalen Kommunikation zwischen Ariane und ihrem Chef, wenn er gestenreich Einfluss zu nehmen versucht, während sie auf Sendung ist; oder zwischen Jule und ihrer Mitarbeiterin, die lieber den Telefonaten der Chefin lauscht, als sich um die Kunden zu kümmern.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).