"Alter und Schönheit", 5. März, 23.05 Uhr auf Arte
Irgendwo in der Film- und Fernsehgeschichte ist ein Jahrzehnt verloren gegangen. Mal sind es die Achtziger, mal die Neunziger; aber zehn Jahre sind es immer. Die Darsteller der Protagonisten von Filmen über die so genannten 68er zum Beispiel sind stets um die fünfzig. 1968 waren sie mithin nicht mal zehn Jahre. In dem Alter mag es ja durchaus bereits eine gewisse Neigung zur Rebellion geben, aber die ist doch eher selten von gesellschaftlicher Relevanz. Auch Grimme-Preisträger Michael Klier ("Ostkreuz", "Heidi M.") ist bei der Konzeption seines Dramas "Alter und Schönheit" diese Dekade abhanden gekommen. Der Film soll jene Generation, die zur Zeit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde, fünfzig Jahre später zeigen. Mithin dürfte das Werk also nicht "heute" spielen, sondern 1999.
"Ferrari 49" lautete der Arbeitstitels des Films, eine Referenz in eigener Sache, denn 1965 hat Klier fürs Fernsehen einen Typen porträtiert, der im schnittigen Jaguar E-Type über den Berliner Ku-Damm bretterte und Frauen anbaggerte. Er träumte davon, eines Tages einen Ferrari zu fahren. Jahrzehnte später hat sich dieser Traum erfüllt: Manni ist ein bekannter Schauspieler geworden. Den Schwarzweiß-Film von einst (er hieß "Ferrari") baut Klier kurzerhand in die Handlung ein, was den chronologischen Drahtseilakt auf die Spitze treibt: Manni-Darsteller Peter Lohmeyer war 1965 drei Jahre alt.
Manni will sich verabschieden
Aber natürlich geht es in Kliers Film nicht um Autos, sondern um Menschen. Mannis Ruhm hat ihn nicht vor dem Krebs bewahrt, und nun, im Hospiz, trommelt er die alten Kumpels zusammen, um sich von ihnen zu verabschieden: Justus (Burghart Klaußner), erfolgreicher Fernsehregisseur, der einst auch den Kurzfilm über Manni und seine Ferrari-Träume gedreht hat; Bernhard (Armin Rohde), ein Lehrer, der im Verlauf der Handlung feststellt, dass ihm die Liebe zu seiner Frau wie auch zum Beruf irgendwann abhanden gekommen sind; und schließlich Harry (Henry Hübchen), von dem man nur am Rande erfährt, dass er neben der Gattin auch eine Geliebte hat. Beide machen gleichzeitig per SMS Schluss.
Kliers Antihelden sind Versager, sie sind im Leben emotional gescheitert. Weil sie gemeinsam mit Manni auf den Tod warten, haben sie unvermutet Gelegenheit, innezuhalten und Bilanz zu ziehen. Da dies naturgemäß ein Vorgang ist, der sich vor allem innerlich abspielt, können selbst die herausragenden Schauspieler nicht immer verhindern, dass "Alter und Schönheit" schließlich die Luft ausgeht. Als die Herren einen uralten Joint rauchen, versinken sie gemeinsam mit der Handlung in Lethargie.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).