De Maizière: Ein Protestant als Oberbefehlshaber

De Maizière: Ein Protestant als Oberbefehlshaber
Es ist sein achtes Ministeramt innerhalb von 15 Jahren: Erst reüssierte er in drei Bundesländern, dann als Kanzleramtschef und Bundesinnenminister. Ab dem 3. März ist Thomas de Maizière (CDU) neuer Verteidigungsminister. Einiges spricht dafür, dass dies nicht die letzte Stufe seiner Karriereleiter sein wird. Der Minister, der als treuer Vertrauter Angela Merkels gilt, stammt aus einer bekannten Hugenottendynastie. Doch über die Rolle, die sein protestantischer Glaube für ihn spielt, ist bisher wenig bekannt. Ein Porträt des Politikers.
03.03.2011
Von Martin Rothe

"Ich bin nicht nur Politiker, sondern auch Christ. Mein Handeln muss ich immer auch vor dem Hintergrund unserer christlichen Werte bewerten lassen." Der Protestant, der das 2009 in der Radebeuler Lutherkirche sagte, hat ab diesem Donnerstag die Befehls- und Kommandogewalt über die deutschen Streitkräfte.

Auf den zurückgetretenen Bundesverteidigungsminister, den Medienstar und Publikumsliebling Karl-Theodor zu Guttenberg (39), folgt mit Thomas de Maizière (57) ein effizienter Machtmanager, der bisher eher fern der Kamerablitzlichter agierte. Wer ist dieser Mann eigentlich?

Der Mann, dem die Kanzlerin vertraut

In den Fokus der breiten Öffentlichkeit geriet Thomas de Maizière ab Oktober 2009, als er in der schwarz-gelben Koalition das Innenressort übernahm. Zuvor hatte er vier Jahre lang für Angela Merkel das Kanzleramt gemanagt – und damit zur Koordination der Großen Koalition maßgeblich beigetragen. Zu seinem Job gehörte damals auch die Aufsicht über die deutschen Geheimdienste.

Der nüchtern-pflichtbewusste Sohn einer Dynastie hugenottisch-preußischer Staatsdiener gehört offenbar zu den engsten Vertrauten der Bundeskanzlerin. Bei seiner Nominierung als Verteidigungsminister am 2. März sagte Angela Merkel, sie sei de Maizière auch "menschlich-freundschaftlich verbunden".

Begegnet waren sie sich – beide Jahrgang 1954 – im ostdeutschen Revolutionsjahr 1989/90: Der gebürtige Bonner war zu dieser Zeit Pressesprecher der Westberliner CDU und Grundsatzreferatsleiter der Senatskanzlei. Er half zugleich seinem älteren Cousin Lothar de Maizière, dem ersten und letzten freigewählten DDR-Ministerpräsidenten, beim Aufbau seines Amtes. Die bisherige Wissenschaftlerin Angela Merkel war damals seit kurzem Pressesprecherin der Bewegung "Demokratischer Aufbruch". Den gleichen Job bekam sie dann in der Regierung Lothar de Maizières – auf Empfehlung von Cousin Thomas.

Der "Alleskönner"

Als die DDR wenig später Geschichte war – der promovierte Jurist Thomas de Maizière hatte am Einigungsvertrag mitgearbeitet – wechselte er in die Regionalpolitik der neugegründeten Länder: Zunächst von 1990 bis 1998 in Mecklenburg-Vorpommern unter Bernd Seite, von 1999 bis 2005 dann in Sachsen unter Kurt Biedenkopf. Der junge CDU-Mann vollführte ein regelrechtes Ressort-Hopping: In beiden Ländern war er Staatskanzleichef, in Sachsen zudem nacheinander Finanz-, Justiz- und Innenminister. Alles binnen weniger Jahre.

Als Experte für Außen- und Verteidigungspolitik ist er zwar bisher noch nicht in Erscheinung getreten. Dennoch adelten ihn manche Medien bereits zum "Alleskönner". Die Fähigkeit zum raschen Einarbeiten in ein neues Portefeuille dürfte ihm auch jetzt zugute kommen.

In seinen 16 Monaten als Bundesinnenminister setzte er Akzente als moderater Internet-Regulierer, respektierter Moderator der Islamkonferenz und anti-hysterischer Terrorbekämpfer – in wohltuendem Gegensatz zu seinen Law-and-Order-Vorgängern.

Lange vertraut mit der Bundeswehr

De Maizière scheint geboren für große Aufgaben. Die erste richtig große könnte die Reform der Bundeswehr sein. Der neue Verteidigungsminister erbt von Vorgänger zu Guttenberg ein Konzept, das noch längst nicht durchgesetzt ist. Wie wird die Reform finanziert? Wo wird die Truppe verschlankt? Welche Standorte müssen geschlossen werden? Konflikte mit Regionalpolitikern sind zu erwarten. Im Eiltempo wird der neue Minister hier Antworten finden müssen.

Sein rationaler, ruhig-moderierender Stil wird den Wahl-Dresdner hier wohl weiterbringen als den rasanten Freiherrn aus Franken. Im persönlichen Gespräch überzeugt der Minister durch seine Fähigkeit, scharf zu analysieren und mit offenem Visier zu argumentieren. Er begegnet auf Augenhöhe und zeigt ehrliches Interesse am jeweiligen Gegenüber.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass er bei den Soldaten in Kürze ähnlich beliebt sein wird wie Karl-Theodor zu Guttenberg: Der Name de Maizière hat einen guten Klang in der Bundeswehr, seit Vater Ulrich 1966 bis 1972 Generalinspekteur und damit oberster Soldat war. Sohn Thomas hat kurz nach dessen Abtritt seinen Wehrdienst abgeleistet.

Jetzt wird er wohl bald seinen ersten Truppenbesuch im Kriegsgebiet Afghanistan absolvieren. Schon vor einem Jahr war er dort – damals allerdings als Innenminister bei den deutschen Polizeiausbildern. Jetzt im Verteidigungsressort wird er den Truppenabzug mit zu organisieren haben, der Ende 2011 beginnen soll.

Bekenntnis zum "christlichen Menschenbild"

Von kirchlicher Seite dürfte mit Aufmerksamkeit verfolgt werden, wie der bekennende Christ de Maizière den "kriegsähnlichen" Einsatz in Afghanistan fortführt, begründet oder abwandelt. Die Kanzlerin bescheinigte ihm am Mittwoch jedenfalls nicht nur einen brillanten Intellekt und vorbildliches Pflichtbewusstsein, sondern betonte, dass de Maizière Politik mache "auf der Grundlage fester Werte" und "vom Menschen aus".

Nun führen Politiker der C-Parteien gern die Vokabeln "christliches Menschenbild" und "Werte" im Munde. Wobei oft unklar bleibt, was damit jeweils gemeint ist. Bei Thomas de Maizière stellte sich manchen diese Frage vor wenigen Tagen, als er angesichts der nordafrikanischen Flüchtlinge nonchalant feststellte, Deutschland könne "nicht die Probleme der ganzen Welt lösen", deshalb blieben die Grenzen zu. Als hätte es ein – auch biblisch leicht begründbares – Recht auf Asyl nie gegeben.

Engagiert im Kirchentagspräsidium

Dennoch: Der evangelisch-lutherische Christ und Minister de Maizière, bisher in der Bundesregierung auch zuständig für das Staat-Kirche-Verhältnis, gehört trotz gelegentlicher leicht populistischer Äußerungen nicht zu denen, für die ihre Weltanschauung nur eine fadenscheinige Bemäntelung eines wetterwendischen Zynismus ist. Auch Fundamentalismen aller Art scheinen de Maizière ein Gräuel.

Er redet lieber über Freiheit und Verantwortung. In seiner Ansprache in Radebeul, einer Stadt seines sächsischen Bundestagswahlkreises, nannte er als eine wichtige Grundlage für seine Arbeit in Berlin Martin Luthers Rede "Von der Freiheit eines Christenmenschen". Der Reformator skizziere darin, wie man zum Wohle der Gesellschaft wirken könne: "Nicht indem wir uns bemühen, Gott und den Menschen mit unseren Taten zu gefallen. Nein. Die Basis ist der Glaube. Er macht frei zu guten Werken."

Der gläubige Bundesminister engagiert sich ehrenamtlich im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Bei all seiner Kritik an kirchlichen Verlautbarungen – die Kirche müsse aufpassen, keine Lobbygruppe neben anderen zu werden, und sie solle sich nicht nur der Seelsorge der Schwachen, sondern auch der Starken widmen – ist de Maizière ein glaubwürdiger Zeitgenosse in der langen Reihe engagierter Grenzgänger zwischen Protestantismus und Politik.


Martin Rothe hat die Evangelische Journalistenschule in Berlin absolviert und arbeitet als Freier Journalist. Seine Schwerpunktthemen sind Kirche, Islam, Integration und Zivilcourage.