Der Guttenberg fällt vom Googleberg

Der Guttenberg fällt vom Googleberg
Karl-Theodor zu Guttenberg ist zurückgetreten. Sein letzter Auftritt strafte seine Aussage allerdings Lügen, seine Kräfte seien am Ende. Warum ging das am Ende doch so schnell? Der Verteidigungsminister hat das Internet unterschätzt - der Schwarm hatte sich an der Doktorarbeit festgebissen und nicht wieder losgelassen.
01.03.2011
Von Christian Bartels

Im akustischen Hintergrund sensationelles Audio-Gewitter klickender Kameras, im Vordergrund nimmt der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit wieder tadellose Haltung ein (die den dramatischen letzten Satz "Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht" nicht unbedingt bestätigt). Und hält eine Rede, in der er die Deutungshoheit über seine bisherige Kernkompetenz "Anstand" mit viel Pathos bewahrt - sein vorerst letzter Auftritt als Spitzenpolitiker zeigt Karl-Theodor zu Guttenberg so, wie man ihn als Medienstar kennengelernt hat. Das Video von Guttenbergs Rücktritt, auf den Startseiten aller Nachrichtenportale heute ganz oben eingebunden, bildet den Startschuss für sein Comeback.

Dass er die Fäden dafür in die Hand nahm, zeigt schon die ulkige Medieninszenierung der Pressekonferenz vom Vormittag: Das Verteidigungsministerium ließ Kameras zu, aber keine Livekameras, und sorgte so dafür, dass alle gespannt wartenden Fernsehsender erst eine Viertelstunde nach der Erklärung Bilder zeigen konnten - außer n-tv, dessen Reporter mit seinem Handy trickste. Was auch immer hinter dieser seltsamen Idee steckte, es zeigt, dass die Regie weiter beim Ex-Doktor und Ex-Minister liegt.

Presse und Internet ausnahmsweise Hand in Hand

Was inzwischen als sicher gelten kann: Guttenbergs Doktor-Affäre beruht darauf, dass er und seine Berater, vor allem aus dem Umfeld der Bild-Zeitungen, sich verschätzt hatten. Sie und damit der Minister, der heute auch von einer "dramatischen Verschiebung der Aufmerksamkeit" (weg von getöteten und verwundeten Soldaten hin zu ihm) sprach, haben "die sich durch das Internet verschiebenden Zeitachsen" unterschätzt, wie es das Blog hackr.de formulierte.

Guttenberg hatte nach der in der "Süddeutschen" veröffentlichten ersten Kritik an seiner Doktorarbeit sicher damit gerechnet, dass "Spiegel", "SZ" und andere der CDU/ CSU eher fernstehende Medien viele Reporter auf den Fall ansetzen und früher oder später auf mehr oder weniger faule Stellen stoßen würden. Aber nicht damit, dass ein GuttenPlag-Wiki entsteht und beim Zerlegen einer 475-seitigen Doktorarbeit in die Bestandteile, aus denen sie vor fünf Jahren zusammengefügt wurde, ganz ohne professionell-redaktionelle Unterstützung viel schneller viel mehr Anfechtbares entdeckt.

Hätte zu Guttenberg ungefähr geahnt, wozu Internetnutzer inzwischen in der Lage sind, hätte er nicht vor knapp zwei Wochen Plagiatsvorwürfe "abstrus" genannt. Und wäre nicht in eine Spirale geraten, die ihm heute keinen anderen Ausweg mehr ließ als zurückzutreten, weil immer mehr Mitglieder seiner explizit konservativen Haupt-Zielgruppe sich von ihm distanzierten.

Jeder, der Verantwortung trägt, muss mit dem Internet rechnen

Es verblüfft, dass ein mit 39 Jahren vergleichsweise sehr junger Politiker, dessen Frau sich als Gallionsfigur der bei aller Anfechtbarkeit zumindest gut gemeinten Fernsehshow "Tatort Internet" hergab, keine Ahnung davon hat, wozu das Internet in der Lage ist. Dass der Verteidigungsminister einer auch nicht ungeheuer Internet-affinen Bundesregierung, die gerade ein "Nationales Cyber-Abwehrzentrum" einrichtet, so wenig Ahnung vom Internet haben soll, erschreckt sogar. Insofern ist der Rücktritt vermutlich eine gute Nachricht für die Landesverteidigung.

Internet-Aktivisten freuen sich bereits, Guttenberg sei "der erste Minister, den das Internet gestürzt hat" (Carta). Das ist nicht falsch, aber auch von der Selbstüberschätzung geprägt, die man eher von Pressejournalisten kennt. Das Internet und klassische Medien, die einander eigentlich im Blogger-"Totholz"-Krieg bekämpfen, haben hier gegen einen erstaunlich dankbaren Gegner einmal optimal zusammengewirkt. Und damit auch Internet-fremden Menschen gezeigt, was das Internet leisten kann und womit heute jeder, der Verantwortung trägt, rechnen muss.

Wie aber schon das ganz große Theater zeigt, das bild.de heute aus dem Rücktritt "eines der größten politischen Talente der vergangenen 20 Jahre" gestaltet: Guttenberg muss nicht lange weg bleiben. Schließlich hat die Affäre außer zu albernen Volksabstimmungen wiederum der "Bild"-Zeitung auch zu Facebook-Gruppen wie "Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg" geführt. Da versammelten sich zwar nicht die erhofften 500.000, aber schon über 300.000 Sympathisanten.

So tölpelhaft wird sich Guttenberg nicht wieder anstellen

Das Potential an Guttenberg-Unterstützern im Netz ist kaum kleiner als das der Kritiker. Der Springer-Verlag (der, wie gerade wieder gemeldet wird, sich weiter gerne an der Privatsender-Gruppe ProSiebenSat.1 AG beteiligen will und dann zum Beispiel Guttenbergs Exklusivauftritte in Johannes B. Kerners Talkshow noch besser mit Berichten der "Bild"-Zeitung abstimmen könnte) verfügt mit bild.de über das reichweitenstärkste deutsche Nachrichtenportal. Und so tölpelhaft wie mit seiner Doktorarbeit werden sich Guttenberg und seine Berater kaum noch einmal anstellen.

Guttenberg wird zurückkommen wollen und das auch können - falls nicht noch herauskommt, wer denn nun eigentlich tatsächlich all die Samples, aus denen seine zwischenzeitlich mit Höchstlob anerkannte Doktorarbeit besteht, zusammengefügt hat, und das noch peinlicher wird.


Christian Bartels ist Medienjournalist in Berlin und unter anderem Autor beim allseits beliebten Altpapier.