SPD meldet rechtliche Zweifel an Hartz-IV-Reform an

SPD meldet rechtliche Zweifel an Hartz-IV-Reform an
Unmittelbar nach der Verabschiedung der Hartz-IV-Reform durch Bundestag und Bundesrat mehren sich die Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Beschlüsse. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) meldete "Zweifel" an, ob die neue Regelung einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten würde. Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hält es für möglich, dass die Hartz-IV-Reform juristisch scheitert. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verteidigte die Reform.

"Ich habe Bedenken", sagte Beck dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" laut Vorabbericht vom Samstag. Von der Leyen hielt dagegen: Die Opposition habe acht Wochen lang jeden Cent des Regelsatzes auf den Prüfstand gestellt und keinen Fehler nachweisen können, sagte sie der Zeitschrift "Super Illu" laut Vorabbericht. Daher sei sie zuversichtlich, dass das Gesetz verfassungskonform sei.

Gabriel sagte der "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht: "Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Berechnung der Regelsätze verfassungskonform ist." Von der Leyen sei große Risiken eingegangen. Die SPD habe jedoch keinen Sinn mehr gesehen, darüber weiter zu streiten.

Parteienstreit geht weiter

Die Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, attackierte Gabriel scharf. Seine "Prinzipienlosigkeit" sei eine "Schande für die Partei von Willi Brandt und Helmut Schmidt", sagte die Politikerin der "Welt am Sonntag" laut Vorabbericht. Morgens im Bundestag hebe Gabriel die Hand für den Hartz-IV-Kompromiss, mittags zweifle er im Interview an dessen Verfassungsmäßigkeit. Dies zeige eine "verheerendes Verfassungsverständnis".

Die Linkspartei warf Gabriel und Beck vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die SPD wolle darüber hinwegtäuschen, dass sie einem völlig inakzeptablen Gesetz zugestimmt hat, sagte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch in Berlin.

DGB gewährt Klägern Rechtsschutz

Der DGB kündigte an, seinen Mitgliedern bei Klagen gegen die Hartz-IV-Reform Rechtsschutz gewähren. "Wir haben große Zweifel, ob die neuen Hartz-IV-Regelsätze den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen", sagte DGB-Chef Michael Sommer dem "Hamburger Abendblatt" (Samstagsausgabe). Auch der Sozialverband VdK Deutschland kritisierte die Berechnung der Regelsatzerhöhung. "Hier hat das Bundesarbeitsministerium unseres Erachtens eine Ermessensentscheidung unter dem Diktat der knappen Kassen getroffen", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe).

Bundestag und Bundesrat hatten der Hartz-IV-Reform am Freitag in Berlin zugestimmt. Der Kompromiss über die Leistungen für Langzeitarbeitslose war nach zähen Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition erreicht worden. Die Grünen stiegen kurz vor Schluss aus den Verhandlungen aus, weil aus ihrer Sicht auch der neu berechnete Regelsatz nicht verfassungskonform ist.

Rund 4,7 Millionen erwachsene Hartz-IV-Bezieher bekommen rückwirkend zum 1. Januar fünf Euro mehr im Monat. Der Regelsatz steigt auf 364 Euro monatlich. 2012 wird der Regelsatz um weitere drei Euro angehoben und zusätzlich an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst.

epd