Im Nah- und Fernverkehr gab es "erhebliche Einschränkungen", wie die Deutsche Bahn mitteilte. Von dem auf zwei Stunden bis 8 Uhr angelegten Ausstand seien besonders die S-Bahnen in Berlin, Nürnberg, Stuttgart, im Rhein-Main-Gebiet und in Nordrhein-Westfalen betroffen. Bei Regional- und Fernzügen kam es bundesweit zu Zugausfällen und Verspätungen von bis zwei Stunden. An Bahnhöfen waren mehrere Hundert zusätzliche Mitarbeiter im Einsatz. Reisende müssen noch bis in den Abend mit Behinderungen rechnen. Die Lokführergewerkschaft GDL hat ihren bundesweiten Warnstreik nach zwei Stunden beendet. "Wir hoffen nun auf ein neues Angebot", sagte eine Sprecherin am Dienstag.
GDL-Chef Weselsky: Warnstreiks gerechtfertigt
GDL-Chef Claus Weselsky hat den am Dienstag begonnenen bundesweiten Warnstreik als unausweichliches Mittel zur Lösung des Tarifkonflikts gerechtfertigt. "Wenn die Arbeitgeber uns einen Stuhl vor die Tür setzen, keine vernünftigen Angebote machen, beziehungsweise die Verhandlungen mit uns generell ablehnen, dann bleibt nichts anderes als der Arbeitskampf", sagte der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin.
Weselsky sagte am Berliner Hauptbahnhof, er gehe davon aus, dass die Arbeitskampfmaßnahmen wirksam seien. Das Signal sei eindeutig, dass die Lokführer bereit seien, für ihre Ziele zu kämpfen. Mit dem Warnstreik will die GDL ihrer Forderung nach einheitlichen Tarifstandards für rund 26.000 Lokführer in der gesamten Bahnbranche Nachdruck verleihen. Ein Kernpunkt sind einheitliche Einkommen auf dem Niveau des Marktführers Deutsche Bahn.
Die GDL hatte von 6 Uhr an zu Arbeitsniederlegungen bei der Deutschen Bahn und mehreren anderen Bahnunternehmen aufgerufen. Tarifverhandlungen mit dem bundeseigenen Konzern sowie den sechs Konkurrenten Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn hatte sie für gescheitert erklärt.
"Ein Zeichen an den Arbeitgeber senden"
Zu massiven Störungen kam es in der Hauptstadtregion. Die S-Bahn Berlin war weitgehend lahmgelegt, nur einzelne Züge fuhren noch. Fernzüge waren teils bis zu zwei Stunden verspätet, wie an Anzeigetafeln am Berliner Hauptbahnhof zu lesen war. Die Bahn schenkte Tee und Kaffee an wartende Reisende aus.
In Baden-Württemberg kam es landesweit zu Zugausfällen und Verspätungen. Die S-Bahnen in Stuttgart standen nach Bahnangaben ab 06.00 Uhr komplett still. Auch die S-Bahnen im Rhein-Neckar-Raum seien betroffen, nur vereinzelt führen noch Züge, sagte der Vorsitzende der GDL Südwest, Thorsten Weske.
In Bayern fielen nach Bahn-Angaben einzelne Intercitys und ICE sowie Regionalzüge aus. Rund 150 Lokführer beteiligten sich am Arbeitskampf, wie der bayerische GDL-Bezirkschef Uwe Böhm sagte. "Es geht nicht um einen totalen Ausfall, wir wollen ein Zeichen an den Arbeitgeber senden." Bestreikt wurden auch vier Privatbahnen. In Nordrhein-Westfalen sollten S-Bahnen und Regionalexpresszüge im Ruhrgebiet bestreikt werden. Einen weiteren Schwerpunkt kündigte die GDL bei der Eurobahn an und damit etwa in Ahlen und Mönchengladbach.
Genervte Reisende warten auf Züge
Genervt haben viele Pendler und Reisende auf die Warnstreiks der Lokführer reagiert. Für die Aktionen der Lokführergewerkschaft GDL fehle ihr jedes Verständnis, sagt etwa Christiane Heermann, die am Dienstagmorgen im Kölner Hauptbahnhof steht - sie will nach Essen fahren. "Mein Zug kommt angeblich 120 Minuten später. Das ist alles meine Arbeitszeit!" Kopfschüttelnd schauen Heermann und ihr Kollege auf die Anzeigetafel am Kölner Hauptbahnhof, auf der hinter jedem Zug sowas steht wie: "Unbestimmte Verspätung - Ansage beachten" oder "110 Minuten Verspätung".
Die Bahn hat zusätzliche Info-Counter aufgestellt, an denen Mitarbeiter über die Verspätungen informieren. Dort haben sich lange Schlangen von Reisenden gebildet. Viele von ihnen haben das Handy am Ohr, sagen am Arbeitsplatz Bescheid, dass sie nicht wissen, wann sie heute ankommen werden. Bahn-Beschäftigte versorgen die Wartenden mit heißem Kaffee. "Wegen Streiks ist der Zugverkehr stark beeinträchtigt", schallt es immer wieder durch Lautsprecher.
"Mein Verständnis hält sich in Grenzen", sagt Wilhelm Müller. "Ich fahre jeden Tag von Kerpen nach Bonn, das dauert ohnehin schon anderthalb Stunden. Und dann noch solche Verspätungen - das ist wirklich nicht schön." Der 26-jährige Yannick muss nach Paris - zu einem Vorstellungsgespräch. Der Schnellzug Thalys sei ausgefallen, erzählt er. Nun müsse er einen ICE nehmen und in Brüssel umsteigen. "Ausgerechnet heute müssen die streiken. Hoffentlich komme ich bloß nicht zu spät", sagt er nervös.
Roger Röttger dagegen steht gelassen in der Wartehalle. Er will nach Berlin. "Aber ich habe keinen Zeitdruck", sagt er. Er habe rechtzeitig von den Warnstreiks erfahren und sich darauf eingestellt. Auch die Forderungen der GDL - einheitliche Tarifstandards für alle rund 26 000 Lokführer - könne er nachvollziehen: "Ich finde es voll okay, dass die streiken."