Gutes Ende für enttäuschendes Festival

Gutes Ende für enttäuschendes Festival
In der 61-jährigen Geschichte der Berlinale hat selten eine Jury-Entscheidung so genau den allgemeinen Vorhersagen entsprochen: Für den Film "Nader und Simin, eine Trennung" des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi gab es den Goldenen und zwei Silberne Bären. Eine Einordnung.
20.02.2011
Von Barbara Schweizerhof

Mit der Vergabe des Goldenen Bären an den iranischen Film "Nader und Simin, eine Trennung" von Regisseur Asghar Farhadi folgten die Juroren unter ihrer Präsidentin Isabella Rossellini ganz dem Wunsch des Berlinale-Publikums und der internationalen Kritiker. Seit seiner Aufführung zur Mitte des Festivals hatte der Film, der mit seiner präzisen Schilderung eines privaten Konflikts einen tiefen Einblick in die Lebensrealität der modernen iranischen Gesellschaft vermittelt, als haushoher Favorit gegolten.

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Dass in diesem Jahr zum ersten Mal ein iranischer Film den Wettbewerb gewinnen würde, hatten einige allerdings schon vor Beginn der Festspiele prophezeit - passt ein solcher Preis doch bestens zum Image der Berlinale, der man nachsagt, das politischste unter den großen Filmfestivals zu sein. Ganz diesem Ruf entsprechend hatte das Team um Direktor Dieter Kosslick den in seinem Heimatland verfolgten iranischen Regisseur Jafar Panahi in die diesjährige Jury berufen und, als ihm die Ausreise verweigert wurde, mit zahlreichen Solidaritätsbekundungen bedacht. Sowohl bei der Eröffnung als auch bei der Abschlussveranstaltung erinnerte ein leerer Stuhl mit seinem Namen an den inhaftierten Künstler.

Urteil über die Filmkunst

Dass "Nader und Simin, eine Trennung" nicht nur ob seiner politischen Botschaft herausstach, sondern auch die Berlinale-Besucher begeisterte, kann als Glücksfall gelten. Wie um herauszustellen, dass die Entscheidung keinesfalls aus Gründen der politischen Korrektheit gefallen war, sondern aus einem Urteil über die Filmkunst, sprach die Jury dem Werk gleich noch die beiden Silbernen Bären für die besten weiblichen und männlichen Darsteller zu, die jeweils an das gesamte Ensemble der Schauspielerinnen und Schauspieler gingen.

Mit dem Anschein der Zufriedenheit endete auf diese Weise ein Festivaljahrgang, der in den Tagen zuvor eher Stirnrunzeln ausgelöst hatte. Mit insgesamt nur 16 Filmen in der Konkurrenz um Gold- und Silberbären hatte das Team um Kosslick ein äußerst schmales Programm geboten, dass weder in seinem thematischen Spektrum, noch durch Neueröffnung cineastischer Perspektiven überzeugte. Dass die Preisvergabe dann so genau die Prophezeihungen erfüllte, sei, so behaupten nicht nur bösartige Zungen, der allzu übersichtlichen Zahl von überhaupt dafür infrage kommender Filme geschuldet.

Heftige Diskussionen um "Wer wenn nicht wir"

So hatte neben dem Publikumsfavoriten "Nader und Simin, eine Trennung" auch "The Turin Horse" des ungarischen Regie-Altmeisters Béla Tarr als Preisfavorit gegolten. Der düster-pessimistische Film in Stummfilmästhetik verhandelt die Vergeblichkeit menschlichen Tuns in bestechend schönen Schwarz-Weiß-Aufnahmen - und wurde dafür mit dem Großen Preis der Jury bedacht. Die amerikanisch-albanische Koproduktion "The Forgiveness Of Blood" zeigt mit Einfühlung und Distanz die Folgen von Sippenhaftung und Blutrache im heutigen Albanien und wurde dafür mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch belohnt. Etwas weniger eindeutig hatte sich die Kritik für den mexikanischen Film "El Premio" von Paula Markovitch ausgesprochen. Der Film, der eine Mutter-Tochter-Beziehung zu Zeiten der argentinischen Militärdiktatur verhandelt, wurde für die beste Kamera und beste Ausstattung ausgezeichnet.

Mit Preisen bedacht wurden auch beide deutschen Beiträge der diesjährigen Berlinale, und das durchaus mit Berechtigung, ragten beide auf jeweils unterschiedliche Weise heraus. Ulrich Köhler erhielt den Silbernen Bären für die beste Regie für seinen Film "Schlafkrankheit", der mit ungewöhnlicher Personenführung und bruchstückhaftem Erzählen das Verhältnis Europa-Afrika beleuchtet. Der als Dokumentarfilmer bekannt gewordene Andres Veiel wurde für sein Spielfilmdebüt "Wer wenn nicht wir" mit dem Alfred-Bauer-Preis ausgezeichnet, der für Filme vergeben wird, die neue Perspektiven im Weltkino aufzeigen. Viel beschäftigt sich darin mit der Genese der deutschen Terrorgruppe RAF aus den engen Elternhäusern der BRD der frühen 60er Jahre und kann für sich beanspruchen, die heftigsten Pro-Contra-Diskussionen des Festivals ausgelöst zu haben.

epd