Von der Straße ins Internet: Online-Debatte in Ägypten

Von der Straße ins Internet: Online-Debatte in Ägypten
Die Revolte der ägyptischen Jugend hatte im Internet begonnen. Dann verlagerte sich der Protest am 25. Januar auf die Straße. Jetzt stehen nur noch einige Tausend Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Doch bei Facebook & Co. geht die Debatte mit Volldampf weiter.
07.02.2011
Von Anne-Beatrice Clasmann

"Das Volk will den Sturz des Regimes", rufen die ägyptischen Demonstranten seit 14 Tagen auf dem Tahrir-Platz in Kairo. "Hau ab Mubarak!" steht auf ihren Plakaten. Die Slogans sind griffig. Doch in ihrer Schlichtheit repräsentieren sie nicht die vielfältigen Meinungen der politisch gebildeten Ägypter, die sich in diesen Tagen durchaus differenzierte Gedanken darüber macht, wie es mit ihrem Staat weitergehen sollte. Die Debatten laufen in informellen Gesprächsrunden, im Dialog mit Vizepräsident Omar Suleiman, auf den Websites der ägyptischen Zeitungen und auch bei Facebook & Co., dort wo die Revolte der Jugend begonnen hatte.

Auf der vor allem bei jungen Ägyptern beliebten Website masrawy.com wurde beispielsweise am Montag heftig darüber diskutiert, ob die Muslimbrüder mit dem Vizepräsidenten verhandeln sollten, obwohl sie dessen Legitimität nicht anerkennen. Am Wochenende verabredeten sich mehr als 97 108 Facebook-User zu der virtuellen Veranstaltung "Amre Mussa soll die ägyptische Jugend repräsentieren". Eine neue Facebook-Gruppe nennt sich "Amre Mussa für das Präsidentenamt", wobei sich die Jugend offensichtlich nicht daran stört, dass Mussa, der Generalsekretär der Arabischen Liga und ehemaliger ägyptischer Außenminister ist, mit seinen 73 Jahren nicht unbedingt zur "Generation Facebook" gehört.

Lästerei: "Lern erstmal richtig Hocharabisch"

Die Zahl der positiven Kommentare zu Mohammed el Baradei hat dagegen im Netz in den vergangenen Tagen deutlich abgenommen. War der erst kürzlich aus Wien nach Ägypten zurückgekehrte Friedensnobelpreisträger in den ersten Tagen des Aufstandes noch als möglicher Nachfolger von Präsident Husni Mubarak gehandelt worden, so häufen sich inzwischen die gehässigen Kommentare über seine Person. "Lern erst einmal richtig Hocharabisch, bevor du in deinem Garten Interviews gibst!", lästerte ein Ägypter, in einem lokalen Chat-Forum.

Ahmed al-Gibali (43) aus Kairo, der Gründer der in englischer Sprache gehaltenen neuen Facebook-Gruppe "GAM - Good Advice to President Mubarak" hat nicht nur gute Ratschläge für Mubarak, auf dessen geordneten Rückzug er hofft, sondern auch für El Baradei: Lieber Herr Baradei, bitte gehen Sie zurück nach Österreich, wir haben hier schon genug Verwirrung, sie machen es nicht besser!"

In den Internet-Foren der Jugend berauscht man sich derweil an revolutionären Slogans. Die Freude darüber, dass der Straßenprotest das Gesicht des ägyptischen Staates für immer verändert hat, überwiegt. Zwar gibt es auch Bedenkenträger, die davor warnen, den Versprechungen der Führung um Mubarak zu viel Vertrauen zu schenken. Doch die Begeisterung über das Erreichte ist stärker. Ganz anders sieht es dagegen auf den Websites der Anhänger von Mubarak und seiner Nationaldemokratischen Partei (NDP) aus. Hier herrscht Katzenjammer. "Wir werden nicht zulassen, dass dich jemand beleidigt", gelobt ein Mubarak-Anhänger.

dpa