Die Hoffnungen von Millionen von Demonstranten in Ägypten auf einen Erfolg ihrer Proteste gegen das Regime von Präsident Husni Mubarak sind nur von kurzer Dauer gewesen. In einer mit Spannung erwarteten Rede an die Nation verkündete Mubarak am Dienstagabend lediglich, dass er nach 30 Jahren an der Macht auf eine weitere Amtszeit - nach Ablauf der jetzigen im September - verzichte. Er wolle die noch verbliebenen Monate im Amt für eine "friedliche Machtübergabe" nutzen, sagte der 82-Jährige. Kurz zuvor hatten die USA erstmals Kontakt mit Mohammed el Baradei aufgenommen, dem Hoffnungsträger der Opposition. Auch Mubaraks Vize streckte am Abend die Fühler in Richtung Opposition aus.
In Kairo gingen am Dienstag nach Informationen des Senders Al-Dschasira bis zu zwei Millionen Menschen auf die Straße. Der Protest dauerte am späten Abend an, nach Mubaraks Rede wurden die Rufe nach dem Rücktritt des Präsidenten noch lauter. Auch in anderen Städten Ägyptens dauerten die Proteste an. In einer ersten Reaktion zeigte sich die Jugendbewegung 6. April enttäuscht vom Angebot Mubaraks. "Wir lehnen das ab, weil es unsere Forderungen nicht erfüllt", sagte ein Sprecher der Bewegung in Kairo. "Wir setzen die Proteste fort, bis unsere Forderungen erfüllt sind, besonders die Forderung nach dem Rücktritt Mubaraks und seines Regimes."
Amr Mussa : Kandidat für die Mubarak-Nachfolge?
Überraschend meldet sich auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, zu Wort. Mubarak hatte Mussa einst auf diesen Posten abgeschoben, weil er ihm als Außenminister zu populär geworden war. "Ich spreche hier als einfacher, verantwortungsvoller Bürger", sagt Mussa dem Nachrichtensender Al-Arabija. Doch wer weiß, vielleicht hat der ehemalige ägyptische Außenminister noch Pläne für eine dritte Karriere. Am Abend schon wirft er seinen Hut in den Ring.
In brüchigem Englisch ruft er seine Landsleute im US-Sender CNN auf, vernünftig zu sein und keine Maximalforderungen zu stellen, die einen reibungslosen Machtwechsel gefährden können. Mussa warnte davor, das Angebot Mubaraks gleich vom Tisch zu fegen. "Ich glaube, dass da etwas angeboten wurde, über das man genau nachdenken sollte", sagte er im US-Sender CNN. El Baradei zeigte sich dagegen enttäuscht. "Wie immer hört er nicht auf sein Volk."
Oppositionsparteien finden gemeinsame Linie
"Ich werde nicht für eine neue Amtszeit kandidieren", sagte Mubarak. Bis zum Ende seiner Amtszeit im September wolle er den Weg für die geforderten freien Wahlen mit Änderungen der Verfassung bereiten. "Die Ereignisse der vergangen Tage verlangen von uns, dass wir zwischen Chaos und Stabilität wählen", sagte Mubarak. Er schloss praktisch aus, ins Exil zu gehen. ""Dies Land ist auch meine Heimat, und in diesem werde ich sterben", sagte Mubarak.
Kurz vor der Mubarak-Rede nahm sein Stellvertreter Omar Suleiman erstmals Kontakt mit der Opposition auf. Nach Informationen des Senders Al-Arabija rief das Büro Suleimans Vertreter der Protestgruppen auf dem Tahrir-Platz an. Auch die USA hatten sich am Dienstag erstmals mit der ägyptischen Opposition in Verbindung gesetzt. US-Botschafterin Margaret Scobey sagte dabei Friedensnobelpreisträger El Baradei die Unterstützung Washingtons für einen geordneten Übergang zur Demokratie zu.
Nach einem Bericht der "New York Times" hatte die US-Regierung Mubarak aufgefordert, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Nach dem Bericht der "NYT" auf ihrer Website hat der US-Sondergesandte Frank Wisner diese Botschaft persönlich in Kairo an Mubarak überbracht. Dies wäre seit Beginn der Revolte in Ägypten die erste konkrete Rücktrittsforderung an Mubarak aus dem Weißen Haus.
In Kairo verständigten sich Vertreter aller größeren Oppositionsparteien und -bewegungen auf eine gemeinsame Linie. Sie fordern den Rücktritt Mubaraks und eine "Regierung der nationalen Allianz". Zu den Forderungen, die nach einem Treffen am Dienstag in Kairo erhoben wurden, gehört auch die Auflösung der beiden Parlamentskammern sowie der Regionalparlamente. Eine Arbeitsgruppe soll eine neue Verfassung ausarbeiten.
Die ägyptische Opposition lehnt Gespräche mit den Machthabern vor einem Rücktritt Mubaraks ab. "Wir erwarten, dass die Führung uns einen Zeitplan für die Umsetzung dieser Forderungen präsentiert. Erst dann sind wir bereit, einen Dialog mit Vizepräsident Omar Suleiman zu beginnen", hieß es.
Muslimbrüder kritisieren Mubarak-Rede
Die oppositionellen Muslimbrüder haben die Rede des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak kritisiert. Mubarak kündigte am Dienstagabend lediglich an, dass er die noch verbliebenen Monate im Amt für eine "friedliche Machtübergabe" nutzen wolle. Der Sprecher der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, sagte: "Dies erfüllt keine der Forderungen des Volkes". Außerdem kämen diese Zugeständnisse zu spät. Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei hatte sich enttäuscht gezeigt. "Wie immer hört er nicht auf sein Volk".
In einer ersten Reaktion hatte die Jugendbewegung 6. April zum Angebot des 82-Jährigen, im September nicht erneut zu kandidieren, erklärt: "Wir lehnen das ab, weil es unsere Forderungen nicht erfüllt", sagte ein Sprecher der Bewegung in Kairo. "Wir setzen die Proteste fort, bis unsere Forderungen erfüllt sind, besonders die Forderung nach dem Rücktritt Mubaraks und seines Regimes."
Proteste machen sich in Nachbarländern bemerkbar
Die Proteste gegen das Regime in Kairo machten sich auch in anderen Ländern der Region bemerkbar. In Jordanien, wo in den vergangenen Wochen Tausende auf die Straße gegangen waren, beauftragte König Abdullah II. den Ex-Regierungschef Maruf Bachit mit der Bildung einer neuen Regierung. Die neue Regierung solle "praktische, schnelle und greifbare Schritte für den Beginn eines Prozesses echter politischer Reformen einleiten, der unserer Vision einer umfassenden Modernisierung gerecht wird", erklärte der König.
In Syrien gibt es für Freitag und Samstag Aufrufe zu Protesten gegen Unterdrückung und Korruption. Syriens Präsident Baschar al-Assad erklärte per Interview, er wolle mehr politische Reformen in seinem Land. Seit 1963 gilt in Syrien - ähnlich wie seit fast 30 Jahren in Ägypten - ein permanenter Ausnahmezustand.
In Algerien kündigten mehrere Gewerkschaften für die kommenden Tage große Streiks an. Wegen der unsicheren Lage in der arabischen Welt verteuerten sich neben dem Öl auch fast alle anderen Rohstoffe.
Für Ägypten gehen die Vereinten Nationen von deutlich mehr Todesopfern bei den Unruhen aus als bisher bekannt. "Unbestätigte Berichte sprechen von bisher 300 Toten und mehr als 3.000 Verletzten", sagte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, in Genf.
Bei der Demonstration auf dem Tahrir-Platz in Kairo zeigten die Streitkräfte Präsenz, ohne die Proteste zu behindern. Das Militär zog Unruhestifter und mutmaßliche Kriminelle aus dem Verkehr, hielt sich ansonsten aber im Hintergrund.