Ägyptische Christen fürchten Muslimbrüder an der Macht

Ägyptische Christen fürchten Muslimbrüder an der Macht
Die koptischen Christen in Ägypten fürchten eine Regierungsbeteiligung der fundamentalistischen Muslimbruderschaft. "Wir sind sehr besorgt, dass die Muslimbruderschaft an die Schalthebel der Macht in Kairo gelangen könnte", sagte Samia Sidhom, leitende Redakteurin der Kairoer Wochenzeitung "Watani International", am Montag dem epd.
31.01.2011
Von Jan Dirk Herbermann

Die offiziell verbotene Bruderschaft habe das Ziel, einen streng organisierten islamischen Staat zu errichten. Die Oppositionsgruppe habe neue Gesetze schon fertig in der Schublade. "Nach ihren Plänen müssen sich Frauen verschleiern, und sie wollen die Kirchen und Einrichtungen anderer Religionen scharf überwachen", erklärte die Redakteurin.

Die Zeitung "Watani International" wird von Kopten gelesen und erscheint als Print- und Internetzeitung auf Englisch und Arabisch.

Die Bruderschaft rechnet sich laut der Journalistin gute Chancen für eine Machtbeteiligung aus, falls Präsident Hosni Mubarak im Zuge der Massenproteste gestürzt wird. "Die Muslimbrüder verstärken jetzt massiv ihre Propaganda, und sie bereiten sich intensiv auf die Zeit nach Mubarak vor", sagte Sidhom.

Koptischer Papst wünscht sich Mubaraks Schutz

Die Redakteurin erklärte, dass Präsident Mubarak weiter auf die Unterstützung des Militärs zählen könne. "Die Generale stehen noch auf seiner Seite, man weiß aber nicht wie lange", sagte Sidhom.

Der koptische Papst Shenouda III. hatte am Sonntag laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte die Kopten dazu aufgerufen, sich nicht an den Protesten gegen die Regierung Mubarak zu beteiligen. Die koptische Kirche wünsche den Schutz Mubaraks.

Der koptische Bischof in Deutschland, Anba Damian, fürchtet nach den gewaltsamen Ausschreitungen in Ägypten weitere Angriffe auf Christen. Unter den Todesopfern vom Sonntag seien auch mehrere Kopten gewesen, sagte Damian am Montag in Höxter dem epd. Die ägyptischen Christen hätten große Angst. "Die Kopten haben keine Lobby und keine Rechte", erläuterte der Bischof. Die Welle des Hasses, die in der Silvesternacht zu einem blutigen Anschlage auf koptische Christen geführt habe, sei noch vorhanden. "Jetzt haben wir die große Befürchtung, dass man anfängt, auf uns loszugehen."

Kopten beteiligen sich nicht an gewaltsamen Protesten

Der Bischof äußerte Sympathie für die Proteste in Ägypten, lehnte Gewalt jedoch entschieden ab. Die Revolution in Tunesien habe die Menschen in Ägypten ermutigt, auf die Straße zu gehen und sich von einem Diktator zu befreien. Dieses Ziel habe Muslime und Christen zunächst geeint. Kopten hätten gemeinsam mit Muslimen demonstriert. Nach einem hoffnungsvollen und friedlichen Beginn seien die Proteste jedoch in Gewalt und Vandalismus abgeglitten. Zudem drohten sie, islamistisch zu werden.

Die Kopten beklagen seit Jahren eine zunehmende Diskriminierung in Ägypten. In der Silvesternacht starben bei einem Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria mehr als 20 Menschen, Dutzende wurden verletzt. In dem arabischen Land sind nach Schätzungen etwa zehn Prozent der rund 80 Millionen Einwohner Kopten. Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus existiert die koptische-orthodoxe Kirche als eigenständige Kirche, sie ist somit eine der ältesten christlichen Kirchen weltweit.
 

epd