TV-Tipp des Tages: "Tatort: Mit ruhiger Hand" (WDR)

TV-Tipp des Tages: "Tatort: Mit ruhiger Hand" (WDR)
Auch wenn vordergründig wie immer ein Mordfall zu klären ist, im Zentrum steht ein Tabu: So mancher Arzt verdankt die Ruhe, mit der seine Hand das Skalpell führt, einem Quantum Alkohol.
28.01.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Mit ruhiger Hand", 3.2., 20.15 Uhr im WDR

Die ersten Bilder dieses "Tatorts" aus Köln sehen aus wie unter Wasser gefilmt: Die Aufnahmen sind leicht getrübt, die Perspektiven etwas verschoben. Das passt zum Thema: Es geht um Alkoholismus. Auch wenn vordergründig wie immer ein Mordfall zu klären ist, im Zentrum steht ein Tabu: So mancher Arzt verdankt die Ruhe, mit der seine Hand das Skalpell führt, einem Quantum Alkohol. Und weil er gerade so gut in Schwung ist, legt Autor Jürgen Werner noch einen drauf: Hauptkommissar Ballauf (Klaus J. Behrendt) ist bei den Ermittlungen nicht ganz unbefangen, denn er vertreibt sich die Einsamkeit des Feierabends gern mit dem einen oder anderen "Bierchen", wie man in rheinischen Brauereihochburgen gern verniedlichend sagt. Gegenspieler Ballaufs und seines ob der Trinkgewohnheiten des Freundes besorgten Kollegen Schenk (Dietmar Bär) ist der renommierte Chirurg und Klinikleiter Gann (Roeland Wiesnekker), der allerdings auch Opfer ist: Bei einem Einbruch in seine Wohnung ist seine Frau ermordet worden, er selbst trug eine schwere Stichverletzung davon.

Die üblichen Verdächtigen

Während den versierten Krimi-Fan angesichts des vermeintlichen Tathergangs bereits eine gewisse Ahnung beschleicht, präsentiert Werner die üblichen Verdächtigen: den verbitterten Witwer einer Patientin, die angeblich nach einem "Kunstfehler" Ganns gestorben ist; den Sohn des Arztes, der von der Mutter in ein Internat abgeschoben wurde; und Ganns Kompagnon, der die Klinik gegen den Willen des Partners verkaufen will. Als sich dann auch noch rausstellt, dass Patientenakten gefälscht wurden, Ganns Oberarzt ein Verhältnis mit der Toten hatte und diverse Doktoren verbotenerweise so genannte Illegale behandeln, Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis also, ist der Pflicht zum Ablenkungsmanöver allerdings mehr als Genüge getan.

Selbst wenn es nicht sonderlich originell ist, Wiesnekker als Alkoholiker zu besetzen, weil er diese Rolle schon in der ProSieben-Serie "Dr. Psycho" glänzend gespielt hat: Der Schweizer macht das erneut großartig, zumal im Zusammenspiel mit Vincent Redetzki, der als Gann junior die Trunksucht des Vaters beklemmend überzeugend spiegelt. Derweil muss sich Behrendt auf Geheiß seines Chefs gar in die Obhut einer befreundeten Psychologin (Juliane Köhler) begeben.

Während die komplexe Geschichte also durchaus fesselt, darf man über die Bildgestaltung (Regie: Maris Pfeiffer) geteilter Meinung sein: Kameramann Benedict Neuenfels muss sein Arbeitsgerät bei der Tatortbesichtigung immer wieder ruckartig bewegen, als sei er ein "Reality"-Reporter, der rasch einige "Schüsse" für die Boulevardnachrichten machen muss, bevor ihn die Polizei vertreibt. Aber man kann das natürlich auch positiv sehen: Für "Tatort"-Verhältnisse ist die Bildsprache mitunter fast kühn.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).