"Das geteilte Glück", 2. Februar, 20.15 Uhr im Ersten
Es ist ein alter Traum gerade von unglücklichen Kindern, sie seien bei der Geburt vertauscht worden. Kleine Mädchen wünschen sich dann gern in die Rolle einer Prinzessin. Für Eltern ist die Vorstellung der pure Horror, und genau davon handelt diese Geschichte; auch wenn sie zwischendurch wie die spielfilmlange Kindervariante des RTL2-Formats "Frauentausch" wirkt, weil die sozialen Gegensätze mitunter fröhlich klischeehaft sind. Andererseits wird einem die Botschaft nicht um die Ohren gehauen. Vordergründig mag es um die vertauschten Kinder gehen, aber selbstredend ist Stefan Dähnerts Drehbuch auch eine Anklage gegen die fehlende Chancengleichheit in unserer Gesellschaft: weil der soziale Status der Eltern vorgibt, was dereinst aus den Kindern wird.
Daher sind die Jungs, um die es geht, auch keine Babys mehr. Dass sie unmittelbar nach ihrer Geburt in einem Freiburger Krankenhaus verwechselt worden sind, stellt sich raus, als der neunjährige Dennis dringend eine Bluttransfusion braucht. Der Vater erfährt, dass er als Spender nicht in Frage kommt, und lässt wutschnaubend seine Patchwork-Familie im Stich. Freundin Nicole will den Betrugsvorwurf nicht auf sich sitzen lassen, lässt ihr Blut ebenfalls testen und sucht die andere Mutter auf, die damals gleichzeitig ein Baby bekommen hat.
Soziale Ungleichheit
Bei den beiden Familien hat Dähnert tief in die Klischeekiste gegriffen. Dennis und seine sozialen Eltern stammen direkt aus dem Nachmittagsprogramm von RTL: Mutter Nicole trägt String-Tanga und Steißtätowierung, ihre drei Kinder sind von drei Vätern; das erste hat sie mit 14 bekommen. Der Fernseher läuft permanent, Konflikte werden grundsätzlich handgreiflich ausgetragen; die Atmosphäre ist rau, aber herzlich. Beim Schicksalsgenossen Sebastian geht es dagegen äußerst gesittet zu. Man redet hochdeutsch, aber selten Klartext, die Mutter spielt Cello, der Vater ist Anwalt, das Haus ist teuer, aber kalt.
Und während sich die einen spontan bespringen, scheint bei den anderen Sex seit der Zeugung des Sohnes kein Thema mehr zu sein. Dass man diese konstruiert wirkende Konstellation akzeptiert, liegt nicht zuletzt an den vorzüglichen Schauspielern: Petra Schmidt-Schaller und Rüdiger Klink spielen das proletarische Pärchen gerade auch wegen des Dialekts ungeheuer überzeugend. Klink ist zwar kein Breisgauer, aber immerhin Kurpfälzer; die in Berlin aufgewachsene Magdeburgerin Schmidt-Schaller musste sich das Badische mühsam aneignen. Zumindest in dieser Hinsicht hatten es Udo Wachtveitl und Ulrike Grote einfacher.
Natürlich ist die authentisch wirkende Verkörperung der Figuren Voraussetzung dafür, dass man die Geschichte überhaupt glaubt. Dass sie dramaturgisch funktioniert, hat aber andere Gründe: Geschickt schlägt Dähnert mehrfach entscheidende Haken. Auf diese Weise entsteht ein Dreiakter: Nach dem ersten Drittel einigen sich die Eltern darauf, alles zu belassen, wie es ist, aber in Kontakt zu bleiben; doch der Anwalt kann nicht aus seiner Haut. Es folgt ein juristischer Streit, den das Jugendamt schlichtet; jedoch ganz anders, als die beiden Elternpaare wollen. Als schließlich Nicole in mütterlicher Selbstverleugnung einlenkt, scheint sich der Konflikt nach dem zweiten Drittel in Wohlgefallen aufzulösen; und dann nimmt die Handlung erneut eine unerwartete Wendung.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).