Nach der Krise ist vor der Krise: Ratlos in Davos

Nach der Krise ist vor der Krise: Ratlos in Davos
Jedes Jahr zerbrechen sich die Kompetentesten aus Wirtschaft und Politik den Kopf zur "Verbesserung der Welt". Doch Krisen lassen sich nicht einfach wegreden. In Davos herrscht auch diesmal wieder weitgehend Ratlosigkeit - sinnlos sind die Debatten aber nicht.
28.01.2011
Von Heinz-Peter Dietrich

Auf den Optimismus folgt die Ratlosigkeit: Die 1.700 Topmanager unter den 2.500 Gästen beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatten sich gerade so richtig über das Anziehen ihrer Umsätze gefreut, da werfen ihnen die Wirtschaftsexperten bei den Podiumsdiskussionen neue Krisen und Gefahren um die Ohren: Ungleichgewichte der Zahlungsbilanzen, Staatsverschuldungen, Spekulationen gegen den Euro, Rohstoffverknappung sowie steigende Lebensmittel- und Energiepreise. Wohin der Weg gehen soll, weiß auch in Davos so richtig niemand. Aber viele sehen es als gut an, dass darüber überhaupt gesprochen wird. Das soll dann der "Geist von Davos" sein.

Die Sorge vor dem Crash

Einer der angesehensten Wirtschaftsgurus, der US-Ökonom Nouriel Roubini, flüchtete sich in den Vergleich, das Glas sei halb voll und halb leer - Chancen und Risiken hielten sich die Waage. Doch es scheint, als überwiege in Davos die Sorge vor dem nächsten Crash.

Schuld an der schlechteren Stimmung könnte man dem Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF), dem deutschen Professor Klaus Schwab, in die Schuhe schieben. Der weltgewandte 72-Jährige rief bei der Eröffnung am Mittwoch die Teilnehmer noch zu Selbstvertrauen und "konstruktivem Optimismus" auf. Doch dann verriet er, dass bei Gesprächen mit Wirtschaftsführern zwar ein "Mikro-Optimismus" festzustellen, auf globaler Ebene jedoch ein "Makro-Pessimismus" spürbar sei.

Und Schwab wiederholte seine verfängliche und für die Stimmung nicht gerade förderliche Einschätzung, die Welt leide unter dem Symptom eines "Burn-Outs". Ständig würden neue Brände gelöscht. Andere sehen sogar verunsicherte Manager, die Angst vor falschen Beschlüssen haben. "Unsere heutigen Quartalsergebnisse sind doch die Entscheidungen von vor vielen Jahren", rechtfertigte sich einer in Davos.

Jeder für sich, keiner für alle

Auf dem Forum sollte nun die Bündelung der unterschiedlichen Meinungen angegangen werden: Westliche und asiatische, nationale und internationale, spirituelle und materielle Ansprüche müssten unter einen Hut gebracht werden, forderte Schwab. Doch nach zwei Tagen stellt sich schon heraus, dass das gemeinsame Handeln den Praxistest erst noch bestehen muss.

Der amtierende Vorsitzende der G20-Staaten aus Industrie- und Schwellenländern, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, brachte es in Davos so auf den Punkt: "Im vergangenen Jahr waren die Vorhersagen alle sehr pessimistisch. Jetzt müssen wir einen kühlen Kopf behalten." Nur die Zusammenarbeit innerhalb der G20 habe die Krise beendet. Die sei keineswegs selbstverständlich, aber unverzichtbar: "Die Legitimation der G20 liegt in ihrer Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen." Sonst verliere die Gruppe ihre Legitimität.

Derzeit gibt es unterschiedlichen Konjunkturentwicklungen etwa in den USA und Westeuropa, dort mit der Lokomotive Deutschland. James Turley von der Beratungsfirma Ernst & Young schließt nicht aus, dass es genau deswegen bei der internationalen Zusammenarbeit zu einem Bruch kommen könnte - nach dem Motto, jeder für sich und keiner mehr für alle.

Auf der anderen Seite boomen die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien und China), doch bleibt ungewiss, ob diese Entwicklung zum Beispiel im Fall China nicht auch eine Blase bildet - ähnlich der, unter der die USA nahezu zusammengebrochen sind.

Sarkozys Euro-Gelübde

Dass sich alle einer "neuen Realität" stellen müssen, stellt in den Diskussionen in Davos niemand in Abrede. Doch Roubini vermisst Führung, etwa in der G20. Ob Sarkozy diese Führungskraft hat, bleibt zunächst unklar. Er legte in Davos erst einmal ein fast schon dramatisches Gelübde zum Erhalt des Euro ab und warnte die Spekulanten, sie würden sich die Finger verbrennen, wenn sie gegen den Euro spekulierten.

Die Globalisierung zwingt eigentlich alle, an einem Strick zu ziehen, wie es auch Russlands Präsident Dimitri Medwedew in Davos gefordert hat. Doch einer müsste dann wohl vorne stehen. Die USA sind aber in Davos zumindest auf hoher politischer Ebene so gut wie gar nicht vertreten.

dpa