Im Ankunftsbereich, dort, wo der Selbstmordattentäter seinen mit Metallteilen gespickten Sprengsatz zündete, erinnern Dutzende Nelken und Chrysanthemen an die Opfer. Unter die Trauer mischt sich Angst, die Fluggäste tauschen nervöse Blicke aus: "Wir haben ein sehr mulmiges Gefühl", erzählen Sergej und seine Freundin Olga. "Aber wir haben uns so sehr auf unseren Urlaub gefreut, deshalb ziehen wir das jetzt durch."
Auch die 25-jährige Marina legt eine Blume nieder. "Es ist eine schreckliche Tragödie", sagt sie leise. Der Tatort ist weiträumig abgesperrt. Doch am Ausgang des schmalen Tunnels, durch den die gerade gelandeten Flugpassagiere auch an diesem Tag hindurch müssen, stehen bereits wieder zahlreiche Freunde und Verwandte, die ihre Lieben in die Arme schließen wollen.
In solch einer Menschenmenge hat sich der Täter keine 24 Stunden zuvor in die Luft gesprengt. Die Umstehenden hatten keine Chance, ihre Körper wurden von der Wucht der Detonation zerrissen. An diesem Mittwoch gedenkt Moskau der Opfer mit einem "Tag der Trauer".
Kaukasier ernten abschätzige Blicke
"Was soll ich tun", sagt der Taxifahrer Ruslan, der an der Schleuse auf Kunden wartet. "Das ist mein Job. Ich muss meine Familie ernähren, und hier verdiene ich am meisten Geld." Ganz weit hinten steht Ljubow Mironowa. Die grauhaarige Frau holt ihre Tochter ab. "Ich habe es ihr doch versprochen", murmelt sie kaum hörbar. "Aber ich schaue mir genau an, wer in meiner Nähe steht."
Auch die in Tarnuniformen gekleideten Einheiten der Anti-Terror-Polizei OMON, die in der ganzen Halle patrouillieren, fixieren die Passanten. Vor allem kaukasisch aussehende Menschen werden kontrolliert - nicht nur in Domodedowo, sondern auch auf den beiden anderen internationalen Flughäfen, an den Bahnhöfen und in der Moskauer Metro. Der Selbstmordattentäter kam angeblich aus dem Nordkaukasus. Den wenigen Kaukasiern, die sich an diesem Tag blicken lassen, werfen viele Russen noch abschätzigere Blicke zu als ohnehin.
Jeder Ankommende muss an den Flughafeneingängen seine Tasche auf Gepäckdurchleuchter legen - vor dem Anschlag liefen die meisten Menschen einfach an den Kontrollen vorbei. Bereits die Zugänge führen durch Metalldetektoren. Das Gerät piepst hektisch, doch eine Leibesvisitation bleibt noch immer in vielen Fällen aus, erst auf dem Weg zum Flugsteig müssen die Passagiere durch einen "Nacktscanner".
Kontrolle an den Bahnsteigen unmöglich
Kremlchef Dmitri Medwedew nennt die laxen Kontrollen im Eingangsbereich "Anarchie". Und der Sprecher der Ermittlungsbehörde, Wladimir Markin, räumt ein, die Terroristen hätten keine großen Probleme gehabt, in das Gebäude zu marschieren. Polizisten oder Flughafenmitarbeiter äußern sich nicht dazu. "Reden Sie mit unserem Vorgesetzten", heißt es barsch.
Im Schnellzug zurück in die Stadt drehen sich die Gespräche nur um ein Thema: Den Anschlag vom Vortag. Viele Passagiere haben die grausamen Bilder von herumliegenden Leichen und blutüberströmten Verletzten noch im Kopf. Igor Wolkow ist soeben aus der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe eingetroffen. "Unglaublich, dass wir ausgerechnet in Domodedowo landen müssen - nach dem, was passiert ist", schimpft der Manager.
Angekommen im Stadtzentrum drängt er sich in die Metro. Auch an diesem Tag nutzen wieder Abertausende das schnellste Verkehrsmittel in der Millionenmetropole. Auf den Bahnsteigen und an den Metro-Eingängen stehen Polizisten in Splitterschutzwesten. Um sie herum drängeln sich unzählige Passagiere - sie zu kontrollieren, ist unmöglich.