Palästinenser würden Jerusalem fast ganz aufgeben

Palästinenser würden Jerusalem fast ganz aufgeben
Aufregung in Nahost. Die gemäßigte Palästinenserführung um Präsident Abbas soll bei Gesprächen mit Israel zu großen Zugeständnissen in der Jerusalem-Frage bereit gewesen sein. Wasser auf die Mühlen der Abbas-Gegner: Vom Ausverkauf der palästinensischen Sache ist die Rede.

Die Palästinenser haben aufsehenerregende Enthüllungsberichte dementiert, wonach sie bei Nahost-Verhandlungen zu weitreichenden Zugeständnissen in der Jerusalem-Frage bereit waren. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira hatte am Sonntag eine Sammlung von Geheimdokumenten veröffentlicht. Demnach waren die Palästinenser 2008 bei den Verhandlungen mit dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert bereit, Israel die meisten jüdischen Viertel auch im arabischen Ostteil der Stadt abzutreten.

Die britische Zeitung "Guardian", die ebenfalls über die brisanten "Palästina-Papiere" verfügt, nannte es "die größte Enthüllung geheimer Dokumente in der Geschichte des Nahen Ostens". Bislang forderten die Palästinenser immer ganz Ost-Jerusalem, weil sie dort ihre künftige Hauptstadt einrichten wollen.

[listbox:title=Die Dokumente bei Al Dschasira[The Palestine Papers (englisch)]]

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte der Zeitung "Al-Ayyam" am Montag, es handele sich bei den Berichten um "Lügen und Halbwahrheiten". Al Dschasira verfügt nach eigenen Angaben über etwa 1.600 geheime Dokumente zu den Nahostverhandlungen - Gesprächsprotokolle, E-Mails und Karten aus den Jahren 1999 bis 2010.

Wie der im Golfemirat Katar beheimatete TV-Sender in den Besitz dieser Dokumente gelangte, wurde nicht erklärt. Einige Namen und Telefonnummern habe man aus den Dokumenten, die bis zum kommenden Mittwoch nach und nach ins Netz gestellt werden sollen, herausgestrichen, hieß es.

"Extrem schädlich" für moderate Palästinenser-Führung

Erekat sagte der Zeitung, das palästinensische Verhandlungsministerium sei bereit, alle seine Dokumente offenzulegen, um zu beweisen, dass die Berichte von Al Dschasira nicht wahr seien. Arabische Kommentare hatten sich entsetzt über die "Flexibilität" der palästinensischen Verhandlungsführer geäußert.

Die Veröffentlichungen wurden als extrem schädlich für die moderate Palästinenserführung von Mahmud Abbas eingestuft. Hardliner in der arabischen Welt sowie ihr Erzrivale, die im Gazastreifen herrschende Hamas, hatten Abbas' Fatah schon früher vorgeworfen, sie sei zu kompromissbereit und schwach gegenüber Israel. Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri sagte am Montag in Gaza, die Dokumente bewiesen, dass die Palästinenserführung heimlich mit Israel kollaboriere. Er warf Abbas' Behörde vor, "die gerechte palästinensische Sache zu zerstören".

Präsident Abbas reagierte zurückhaltend auf die Enthüllungen. Man habe die Araber stets bis ins Detail über alle Entwicklungen bei den Gesprächen mit Israeli und USA informiert, sagte er nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa am Sonntagabend in Kairo. "Ich habe wirklich keine Ahnung, wo Al-Dschasira all diese geheimen Informationen her hat", sagte der Palästinenserpräsident. "Wir verbergen nichts, und unsere arabischen Brüder wissen alles."

Keine Zugeständnisse beim Westjordanland

Al-Dschasira zitierte unter anderem Protokolle eines Treffens vom 15. Juni 2008 in Jerusalem. An dem Gespräch waren die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice, ihre damalige israelische Amtskollegin Zipi Livni sowie der ehemalige palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia und Chefunterhändler Saeb Erekat beteiligt. Kureia soll laut Al-Dschasira vorgeschlagen haben, dass Israel alle jüdischen Viertel im arabischen Ostteil Jerusalem außer der Siedlung Har Homa annektiert.

Erekat habe zudem mehrere Siedlungen im Bereich Jerusalems aufgelistet, auf deren Gebiet die Palästinenser verzichten könnten: French Hill, Ramat Alon, Ramat Schlomo, Gilo und Talpiot. Auch über den zukünftigen Status des Tempelbergs wollten die Palästinenser reden – ein Thema, das die israelische Seite vor allem aus innenpolitischen Gründen immer vermieden hatte.

Keine Zugeständnisse allerdings, auch das machte Al Dschasira deutlich, machten die Palästinenser im Westjordanland: "Wahrer Frieden kann nicht mit einer 18 Kilometer langen Enklave mitten in Palästina erreicht werden", kommentierte der Unterhändler Samih al-Abed bei einem Treffen im Mai 2008. Die fünf großen jüdischen Siedlungsgebiete dort, schlugen die Palästinenser vor, sollten in einem künftigen Palästinenserstaat zwar bestehen bleiben, aber unter palästinensische Verwaltung fallen. Die israelische Außenministern Tzipi Livni lehnte die Idee als "unrealistisch" ab.

PLO: Al Dschasira hat politische Ziele

Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Abed Rabbo, sagte dem palästinensischen Rundfunk am Montag, Al Dschasira verfolge mit der Veröffentlichung ganz bestimmte politische Ziele und habe einige Informationen aus dem Kontext gerissen, um gegen die Autonomiebehörde zu hetzen.

Israel und die Palästinenser haben nach Angaben eines Beraters des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert vor gut zwei Jahren fast einen Friedensvertrag unterzeichnet. Jaakov Galanti sagte dem israelischen Armeesender am Montag, beide Seiten hätten sich damals in allen Kernfragen des Konflikts geeinigt. Die Einigung habe eine Teilung Jerusalems, die Rückkehr 5.000 palästinensischer Flüchtlinge nach Israel sowie einen Gebietsaustausch umfasst. Olmert habe ein generelles Recht auf Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge jedoch abgelehnt.

 

dpa