Die Grüne Woche hat am Freitag im Schatten des Dioxin-Skandals ihre Tore für das Publikum geöffnet. Das verbotene Dioxin soll durch altes Fett ins Tierfutter gekommen sein - davon gehen Experten in Nordrhein- Westfalen aus. Das Umweltbundesamt (UBA) hält die Quelle dagegen weiterhin für offen. "Das Verteilungsmuster der Dioxine, Furane und dioxin-ähnlichen PCB (Polychlorierte Biphenyle) aus den verunreinigten Futtermitteln stimmt mit keiner unserer Referenzproben überein", teilte UBA-Präsident Jochen Flasbarth am Freitag mit.
NRW-Agrarminister Johannes Remmel (Grüne) sagte auf der Grünen Woche: "Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit stammt das Dioxin aus Vorstoffen, die zur Biodieselproduktion dienen." Altfette wie Frittierfett würden dabei gereinigt und destilliert. Remmel bezog sich auf Ergebnisse des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts (CVUA) in Münster.
Es wird gegen industrielle Landwirtschaft demonstriert
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) will den Aktionsplan für mehr Sicherheit von Lebensmitteln schnell umsetzen. Die Futtermittelhersteller planen mehr Kontrollen. "Ein Entwurf ist in Arbeit für einen erweiterten Prüfplan für Futterfette", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Verbandes Tiernahrung, Bernhard Krüsken. Die Häufigkeit der Kontrollen sei offensichtlich nicht hoch genug. Der Verband distanzierte sich vom Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein, der wegen der Vermischung von Futter- und Industriefett als Auslöser des Skandals gilt.
Aigner will den Aktionsplan mit schärferen Kontrollen und mehr Auflagen für die Futtermittelwirtschaft schnell umsetzen. "Ich habe schon den ersten Teil in die Ressortabstimmung gegeben", sagte sie beim traditionellen Eröffnungsrundgang auf der Grünen Woche. NRW- Minister Remmel forderte, das Programm innerhalb dieses Jahres abzuarbeiten. Die Futtermittelhersteller zeigten sich offen für eine erweiterte Zulassungspflicht, aber skeptisch gegenüber einer Meldepflicht von Testergebnissen und der Veröffentlichung überhöhter Grenzwerte im Internet.
An diesem Samstag wollen mehr als 120 Organisationen aus ganz Deutschland in Berlin für eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft demonstrieren. Unter dem Motto "Wir haben es satt! Nein zu Gentechnik, Tierfabriken und Dumping-Exporten" hat das Bündnis aus Bauern, Tierschützern und Lebensmittelunternehmen zur Demo aufgerufen. Die Veranstalter erwarten rund 5.000 Teilnehmer.
Bürger wollen nicht auf Bio umstellen
Beim 3. Berliner Agrarministergipfel beraten die Vertreter von rund 50 Ländern über Rohstoffspekulationen und Welternährung. Aigner will hier für weltweit einheitliche Standards bei der Lebensmittelproduktion werben. "Eine Integration in den internationalen Handel kann nur gelingen, wenn von der Erzeugung bis zum Verbraucher die gleichen Standards für Lebensmittelsicherheit gelten", heißt es in einem Entwurf Aigners für den Agrargipfel, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.
Trotz des Dioxin-Skandals wollen die meisten Bundesbürger keine Konzentration auf die Bio-Landwirtschaft. In einer Emnid-Umfrage für den Nachrichtensender N24 forderten nur 21 Prozent der rund 1.000 Befragten eine möglichst weitreichende Umstellung auf Öko- Landwirtschaft. 76 Prozent wollen mehr Förderung der konventionellen Landwirtschaft, um möglichst günstige Lebensmittelpreise zu haben.
Der Chef des Bundestags-Agrarausschusses, Hans-Michael Goldmann (FDP), fordert mehr Futtermittelkontrolleure. "Wir brauchen zusätzliche Leute", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Wir brauchen auch eine spezialisierte Aufgabenstellung." Die ganze Produktionskette müsse im Auge behalten werden.
WWF: Zu viele Lebensmittel landen im Müll
Nordrhein-Westfalen gab am Freitag die letzten der gut 40 gesperrten Bauernhöfe im Land wieder frei. "Wir haben keine Erkenntnisse über Produkte, die belastet in den Handel gegangen sind", sagte Remmel. Nach Angaben des Abteilungsleiters im NRW- Agrarministerium, Peter Knitsch, wurden im Land bei Eiern drei dioxinbelastete Proben entdeckt sowie eine bei Legehennenfleisch. Bundesweit waren am Freitag noch 589 Höfe gesperrt.
Die Grüne Woche öffnete am Freitag für Besucher. Die Veranstalter erwarten bis 30. Januar rund 400.000 Besucher. Mehr als 1.600 Aussteller aus 57 Ländern präsentieren ihre Produkte und Dienstleistungen.
Der World Wide Fund for Nature (WWF) kritisierte, ein Drittel aller Lebensmittel lande im Müll. Sie würden nicht vernünftig transportiert, nicht rechtzeitig verarbeitet oder nicht gekühlt, teilte die Naturschutzorganisation mit. "Nach wissenschaftlichen Schätzungen erzeugt die Landwirtschaft weltweit 4.600 Kilokalorien pro Tag und Mensch. Davon erreichen 1.400 Kalorien niemals einen Magen."