"Es war einer von uns", 28. Januar, 20.15 Uhr auf Arte
Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als niemandem mehr trauen zu können. Der jungen Johanna ist Ungeheuerliches widerfahren: Während einer Party, umgeben von Freunden, hat ihr jemand K.o.-Tropfen verabreicht. Auf dem Heimweg, als sie bewusstlos vom Rad stürzte, hat ihr der Mann aufgelauert, sie ans Elbufer geschleppt und dort vergewaltigt. All das ist Vorgeschichte, wenn der Film mit einer irritierenden Szene beginnt: Johanna sieht sich selbst auf dem Boden liegen und dann ein Stück vom Tatort entfernt, sie ist also quasi dreimal im selben Bild zu sehen. Das mag zunächst wie eine technische Spielerei wirken, ist aber ein passender Einstieg in die Geschichte, denn neben dem ohnehin traumatisierenden Erlebnis weiß Johanna auch: Beim Täter muss es sich um einen Partygast gehandelt haben; also um einen ihrer engsten Freunde.
Johanna will den Täter finden
Der von Kai Wessel trotz des sehenswerten Einstiegs alles andere als effekthascherisch inszenierte Film macht es einem nicht leicht. Die Handlung wird ausschließlich aus Sicht der Hauptfigur erzählt, doch Maria Simons Verkörperung der jungen Frau ist in jeder Hinsicht eine konsequente Verweigerung all jener Versatzstücke, die eine Figur sympathisch machen. Johanna steigert sich immer stärker in die fixe Idee hinein, den Täter zu finden; auch um den Preis, nicht nur ihre Freunde, sondern auch ihre Freundinnen zu verlieren, denn denen gefällt es natürlich nicht, dass Johanna ihre Lebensgefährten als potenzielle Vergewaltiger betrachtet. Einzig Leonie (Anja Kling), älteste Freundin und Gastgeberin der Party, hält noch zu ihr. Bis Johanna überzeugt ist, dass Leonies Freund Björn (Devid Striesow) der Täter sein muss: Sein Alibi ist geplatzt, die Videoüberwachung einer Tankstelle beweist, dass er zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts war.
Obwohl die Handlung (Buch: Astrid Ströher) alle Voraussetzungen für einen Krimi erfüllt, erzählt Wessel die Geschichte in erster Linie als Drama. Maria Simon lotet die ganze Tiefe de Abgrunds aus, in den eine Frau nach einem derartigen Erlebnis stürzen kann; die anfänglichen Zweifel der zuständigen Kommissarin (Johanna Gastdorf) und die Frustration nach der Einstellung der Ermittlungen inklusive. Simons eindringliche Darstellung "ungeschminkt" zu nennen, wäre noch untertrieben. Trotzdem trägt die düstere Inszenierung natürlich zumindest Züge eines Krimis, zumal Johanna schließlich selbst nach dem Täter sucht. Parallel dazu erzählt der Film, wie sie mit Hilfe einer Therapeutin und eines einfühlsamen Mannes (Adam Bousdoukos) langsam ins Leben zurückfindet. Das Ende mag zwar wie eine Konzession an die Zuschauererwartungen erscheinen, wirkt aber auch wie eine Erlösung.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).