Es gibt viele Fragen an die Medienwelt und viele Kongresse, bei denen diese zumindest angeschnitten werden. Etwa beim Deutschen Medienkongress 2011 in Frankfurt am Main, bei dem am Dienstag über die Zukunft diskutiert wurde. Print, TV, Radio, Werbung auf mobilen Endgeräten und Werbung in sozialen Netzwerken waren einige der Felder, die besprochen wurden. Die gute Nachricht: Zukunft haben sie irgendwie alle – so jedenfalls der Fazit der jeweiligen Diskutanten. Eine Einschätzung, die allerdings auch daran liegen könnte, dass der Deutsche Medienkongress vor allem ein Kongress für die Werbetreibenden ist und die Vertreter der verschiedenen Mediengattungen daher schon aus Eigeninteresse gute Stimmung für "ihr Medium" machen müssen. Schließlich gilt es, auch künftig ein großes Stück vom Kuchen der Werbebudgets abzubekommen.
Print: Es ist viel geschrieben worden über die Krise der Verlage, die vor allem damit begründet wird, dass viele Leser ins Internet abwandern, dort aber mit Werbung längst nicht so viel zu verdienen ist wie im klassischen Geschäft. Das größte Wehklagen scheint indes vorbei. "Wir machen mit Print hervorragende Geschäfte", sagte etwa Marc Walder, CEO des Ringierverlags ("Cicero"), in Frankfurt. Und Andreas Schoo, Geschäftsleiter der Bauer Media Group, ergänzte: "Die Zukunft von Print ist Print." Angst vor Facebook, Wikileaks und Co. haben die Verlage angeblich nicht. Die bei Wikileaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen hätten die meisten Nutzer eben nicht direkt dort gelesen, sondern etwa im "Spiegel", der mit der entsprechenden Ausgabe tatsächlich überdurchschnittliche 481.355 Ausgaben im Einzelverkauf absetzte.
Sogar die entführten Reporter im Iran wurden als Argument dafür herangezogen, dass es eben die klassischen Medien seien, die "vor Ort" recherchierten und den Medienkonsumenten daher "exklusiven Content" böten. So ganz verlassen auf ihre Printerfolge wollen sich die Verlage indes nicht. "Diversifikation" war daher das Stichwort des Tages. Ringiermanager Walder schwärmte vom Erweb einer "Ticketing"-Agentur und eines Konzertveranstalters, so dass Ringier bei einem U2-Konzert in der Schweiz künftig an nahezu allen Gliedern der Wertschöpfungskette beteiligt sei. Die Unabhängigkeit der berichterstattenden Medien sei dennoch gewährleistet. So habe "Blick" natürlich auch ein Madonna-Konzert schlecht finden dürfen. Bauer-Manager Schoo lobte die Internationalisierung seines Konzerns inklusive Radiobeteiligungen im Vereinigten Königreich. Bemerkenswert war, dass er das Marketing der Zeitschriftenverleger kritisierte und Konkurrenzverlage aufforderte, die Printplanung für die Werbekunden insgesamt freundlicher zu gestalten.
Man müsse dem "Gesamten dienen", forderte er, wobei der Moderator leider versäumte nachzufragen, ob dies auch für das Grosso gilt, bei dem Bauer zuletzt aus der gemeinsamen Linie mit anderen Verlagen ausgeschert war. Einen gemeinsamen Feind machten die Verleger am Ende auch noch aus und der hieß eben nicht Facebook, sondern EU-Kommission. Was dort an "Konsumentenschutz" erdacht werde sei im Kern "Konsumentenverdummung", hieß es. Gemeint sind Pläne der EU, bei der Werbung für verschiedene Produkten ähnlich wie bei Zigaretten Warnhinweise verpflichtend hinzuzufügen, beispielsweise der Hinweis auf hohen Zuckergehalt bei Schokoriegeln. Die EU nehme dabei aber vor allem Zeitungen und Zeitschriften ins Visier und ließe elektronische Medien außen vor. Die Befürchtung der Verlage ist daher, dass Werbetreibende künftig vermehrt in elektronische Medien abwandern, wenn sie dort keine Warnhinweise zu ihrer Werbung hinzufügen müssen.
Radio
Radio: Bemerkenswert bei der Debatte über die Zukunft des Radio war, worüber nicht gesprochen wurde, nämlich ein Szenario für das Ende von UKW. Zwar hat sich das digitale Radio trotz diverser Anläufe bislang nicht durchsetzen können, aber langfristig scheint ein digitaler Standard wahrscheinlich. Möglich, dass die Radiosender, die durch das örtlich begrenzte UKW bislang quasi lokale Oligopole bildeten, dann der Konkurrenz durch bundesweite Sender ausgesetzt sind. Eine Konkurrenz, die es im Internet bereits gibt, wo die Nutzer per Stream weltweit aus dem Angebot der Radiosender wählen können. Bislang macht allerdings nur ein kleiner Teil der Hörer von dieser Vielfalt Gebrauch.
Das Radio der Zukunft setzt unabhängig davon offenbar auf Personalisierung. In seiner Keynote verwies Babak Zeini, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Force Innovations, auf die Möglichkeit, am Radio eigene Musikvorlieben einzustellen und dann ein auf den persönlichen Geschmack zugeschnittenes Programm zu erhalten. Auch ein auf die Umgebung abgestimmtes Radioprogramm, wie etwa vom Anbieter Soundwalk (http://www.soundwalk.com/), sei denkbar. Soundwalk bietet für verschiedene Städte Touren an, zu denen der Nutzer quasi an jeder Straßenecke die passende Musik erhält.
Auch Musikcommunitys spielen zukünftig eine wohl wachsende Rolle, wobei die Sender nicht zwingend eine eigene Community aufbauen, sondern bei bestehenden Plattformen wie Facebook Präsenz zeigen müssten, wie Olaf Lassalle, Managing Director der Newcast GmbH forderte. Kristian Kropp, Geschäftsführer des Jugendsenders bigFM, sah sich in seiner Strategie bestätigt. Sein Sender habe "von Anfang an" auf die Verbreitung auch über das Internet gesetzt, wo im Übrigen absolute Basics wie die Playlist des Senders besonders stark nachgefragt würden. Wichtig sei zudem, eine "bottom up"-Strategie zu entwickeln, bei der die Nutzer stärker ins Programmmachen einbezogen würden. So sende bigFM einmal in der Woche eine Sendung, bei der Lieder gespielt würden, über die die bigFM-Community vorher abgestimmt habe – eine Art Hörercharts also.
Bernd Mannewitz, Leiter Direktvertrieb der ERGO-Versicherung, verwies darauf, dass im Internet in vielen Bereichen eine Monopolisierung stattfinde (Google für Suche, Amazon für Einkauf etc.). Daher müssten die Radiosender auf die Stärkung ihrer Marke im Netz setzen. Kropp zufolge gelingt dies über die lokale Bindung. So sei Facebook zwar international erfolgreich, in Koblenz aber habe es etwa gegen das soziale Netzwerk "wer-kennt-wen" keine Chance. Auch Radiosender seien mit ihrer lokalen Verankerung starke Marken "vor Ort", gegen die Wettbewerber es auch in Zukunft schwer haben würden. Nicht erfolgversprechend sei der Versuch, auf bezahlte Inhalte zu setzen. "So lange es ein öffentlich-rechtliches System gibt – und das wird noch in 100 Jahren der Fall sein – ist paid content im Audio- und Videobereich nicht zukunftsorientiert", sagte Kropp.
TV
TV: Eigentlich ging es weniger um die Zukunft des Fernsehens als vielmehr zum die Zukunft des Fernsehens als Werbeplattform. Aber selbst dieser Teil der Diskussion kam etwas kurz, weil zuvor über die anstehenden Verhandlungen über die Werbepreise zwischen Sendern und Werbetreibenden diskutiert wurde. Anlass war ein Interview des Kongressveranstalters "Horizont" mit Nestlé-Mediachefin Tina Beuchler. Der "Return of Investment" (ROI) bei Fernsehkampagnen sei zum Teil gesunken, hatte sie bemängelt und daher Preiserhöhrungen für TV-Werbung abgelehnt. Da nutzte es auch nichts, dass Thomas Wagner, Vorsitzender der ProSiebenSat.1-Werbevermarkters SevenOne Media, das TV als "Entspannungsmedium und mediale Kommandozentrale" lobte, der exklusiven Inhalt biete und auch bei Facebook und Co. etwa in Form einer Fancommunity einer bestimmten Serie stattfinde, was wiederum Möglichkeiten für Crossmediakampagnen böte.
"Wenn sie einen TV-Spot schalten, können sie anschließend bei Google Search nachsehen, wie die Suchanfragen für das beworbene Produkt sprunghaft ansteigen", warb Wagner für den Werbeträger TV. Jürgen Blomenkamp, von der Mediaagentur Group M, blieb dennoch nüchtern: Es gebe keinen Zweifel, dass der ROI bei TV-Kampagnen langfristig sinke. Allerdings, so gab er zu, sei dies kein TV-Phänomen, sondern ein allgemeines. "Der Konsument geht flüchtiger mit Medien um." Niedrigere Werbepreise müssten aber nicht unbedingt die Folge sein, denn die Werbetreibenden hätten ein Interesse an "starken Medienhäusern". Voraussetzung dafür sei, dass deren Businessmodelle, im Kern also Werbung, funktionierten.
Und die Zukunft? Die Sender würden auch künftig exklusive Inhalte bieten und seien dadurch der Motor der Medienkommunikation, so Wagner. Mit neuen Formaten passten sich die Sender zudem immer mehr den Sehgewohnheiten der Zuschauer an. Dass etwa Youtube ein echter Konkurrenz für klassische Fernsehsender sein könne, bezweifelte später noch Andrea Malgara, Gesellschafter der Premium Media Solutions. "Wäre Youtube ein Fernsehsender, hätte er in Deutschland einen Marktanteil von 0,7 Prozent", sagte er. "Das ist genau die Größe, bei der MTV sich kürzlich dafür entschieden hat, ins Pay-TV zu wechseln."
iPad und Co.
iPad und Co.: Das iPad hat einen Hype erlebt, momentan ebbt der ein wenig ab. "Wir werden in den kommenden Wochen erleben, dass es in den Medien immer mehr enttäuschte Kommentare über das iPad geben wird, weil es die hohen Erwartungen nicht voll erfüllt. Es gibt aber auch Grund zur Hoffnung und es wird nach dem Abkühlen des Hypes einen Change hin zu einer echten Wertschöpfung geben", so die Prophezeiung des Mediendesigners Lukas Kircher in Sachen iPad. Wertschöpfung, an der Kircher, dessen Unternehmen iPad-Apps produziert, sicher teilhaben wird. Verlage verschenkten momentan sogar Geld, weil sie der Industrie, die gerne eigene Apps haben wolle, keine entsprechenden Lösungen anbiete.
Kircher hielt einen bunten Beitrag. Immer wieder spielte er verschiedene Apps ein, kommerzielle von Porsche oder den Robinson Clubs, oder journalistische, etwa das "Project" von Virgin-Grüner Richard Branson (http://www.projectmag.com/). Guter Journalismus könne mit dem iPad gelingen, sagte Kircher und verwies auf neue Möglichkeiten der Infografik und des Storytelling durch Kombinationen aus Bewegtbild und Print. Ja, es sah beeindruckend aus, was Kircher präsentierte und doch gab auch er zu: "Bislang gelingt es nicht, das alles so richtig auf die Straße zu bringen." Mit anderen Worten: Zum Konsumenten.
Als viertschönste App weltweit wurde kürzlich die App der Frankfurter Rundschau ausgezeichnet und doch hat sie nur weniger Tausend tägliche Nutzer und ist bislang ein Zuschussgeschäft, gab Silke Springensguth von DuMont Net zu. Vielleicht, weil DuMont nicht schizophren genug ist? Denn "Schizophrenie" fehle den Verlagen, sagte Kircher und nahm gleich den Springer Verlag von dieser Regel aus, weil dort Matthias Döpfer journalistisch denke und Andreas Wiele wirtschaftlich, was eine hervorragende Kombination sei. Das Problem der Branche in Sachen iPad sei nämlich, dass viele Verlage eine App auch publizistischen Gründen entwickelten ("Der Chefredakteur hat das irgendwo gesehen, findet es cool und will es auch.") aber nicht aus unternehmerischen.
Damit das iPad sich rechnet, müsse an der Art der Werbung gefeilt werden, sagte Florian Gmeinwieser, Geschäftsführer des Unternehmens Plan.Net.Mobile. Bislang sei iPad-Werbung oft ein "Showcase" einer Werbeagentur, "um zu zeigen, was so geht". Diese Werbung sei aber zu teuer, daher gehe der Trend dazu, weniger aufwendige Werbung zu produzieren. Gmeinwieser prophezeite zudem ein "Ende der Apps" innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre. Moderator Jochen Wegner offenbarte, er habe ein Startup gegründet, das sogar auf ein noch schnelleres Ende der Apps setze. Stattdessen sei die Zukunft das mobile Internet im Standard HTML5, bei dem die Nutzer zwar ihre kleinen Icons auf dem Smartphone oder Tabletcomputer behalten können, dieses aber kein eigenes Programm mehr sondern letztlich den Internetbrowser öffnet, mit dem die entsprechenden Angebote abgerufen werden können. für die Macher bedeutet dies, dass die je eigene Programmierung für verschiedene Endgeräte ein Ende hätte und lediglich die Seiten für die verschiedenen Geräte optimiert werden müssten. "Der Markt schreit nach Apps", gab allerdings Silke Springensguth zu bedenken und warnte, dass die bei den Apps vorhandene Zahlungsbereitschaft der Nutzer beim Standard HTML5 sinken könnte.
Mercedes Bunz, die in Frankfurt die Abschlussrede hielt, zeigte sich ebenfalls vom iPad überzeugt, machte aber auch einige kritische Anmerkungen. So böten Tabletcomputer zwar durchaus Emotionen, diese böten aber auch Prinzprodukte. Ein Bauarbeiter, der in einer kurzen Pause die Zeitung in die Hand nehme, werde alternativ sicher nicht zum iPad greifen sagte sie. Auch der kurze Blick in die Zeitschrift auf der Toilette sei mit dem iPad eher unvorstellbar. Es gehe also künftig darum, Journalismus für Situationen zu machen. Journalisten müssten daher noch stärker als bislang ihre jeweiligen Nutzer und die Situation, in der diese sich bei der Lektüre befänden, kennen. Zudem riet die Verlagen, man müsse nicht jeden Wettkampf mitmachen.
Werbung in sozialen Netzwerken
Werbung in sozialen Netzwerken: Alle reden über Facebook, da nutzte Clemens Riedl, CEO der VZ Netzwerke die Gelegenheit, auch MeinVZ oder SchülerVZ wieder ins Gespräch zu bringen. Facebook habe zwar inzwischen 14 Millionen User in Deutschland, die VZ-Gruppe aber immerhin 13,07 Millionen. Es gebe also eine Mehrfachnutzung der Netzwerke, die Hauptnutzung liege dabei zwischen 20 und 21 Uhr, was soziale Netzwerke zu echten "Prime-Time"-Medien mache. "Nutzungspeaks" würden übrigens etwa in den Pausen von Sendungen wie "Germanys Next Topmodel" beobachtet, was der These widerspreche, TV und Internet würden weitgehend parallel genutzt.
98 Prozent der Werbebotschaften kämen nicht in den Köpfen der Menschen an, sagte Riedl. Als Lösung sieht er, wen wunder es, soziale Netzwerke. Die Menschen orientierten sich nicht mehr an den "Schildern am Straßenrand", sondern daran, was ihnen nahestehende Menschen empfehlen würden. Daher eigneten sich gerade soziale Netzwerke für die Werbung.
Facebook habe noch gar nicht richtig damit begonnen, das gesammelte Wissen über seine Nutzer – darunter auch Produktaffinitäten - auch in bares Geld umzuwandeln. Noch in diesem Jahr werde Facebook mit einem eigenen Adsense-System auf den Markt kommen, prophezeite Riedl. Der Tausenderkontaktpreis, die gängige Werbewährung also, werde wohl zwischen fünf und sieb
n Euro liegen. Die VZ-Gruppe selbst setze vermehrt auf das Thema "Couponing". Den Nutzern sollen Coupons verschiedener Unternehmen angeboten werden, mit denen bestimmte Einkäufe vergünstigt werden.
Wahre Verlierer der nahenden Facebookoffensive würden "die traditionellen Medien" sein, sagte Riedl voraus. Aktuell ziehe Google etwa die Hälfte der Onlinewerbung auf sich. Denkbar sei, dass Facebook die andere Hälfte binden werde. Denkbar sei zudem ein Einstieg von Facebook in das Thema "Search", ein erster Schritt sei mit der Beteiligung an "Bing" bereits getan.
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de