Franz Radziwill: Was Kunst ist, bestimme ich

Franz Radziwill: Was Kunst ist, bestimme ich
Die Rolle von Franz Radziwill (1895-1983) im Nationalsozialismus wird hitzig diskutiert. Wenig bekannt ist dagegen über seine Kontakte zur Bekennenden Kirche. Während eine Reihe von Museen im Nordwesten Deutschlands dem Künstler ein Themenjahr widmen, sucht der Historiker Joachim Tautz in den Archiven nach Hinweisen.
18.01.2011
Von Annedore Beelte

Dieses Flugzeug ist ein Fremdkörper in der Landschaft: knallrot leuchtend, jede Niete, jede Schraube mit Akribie gemalt. Grau und winzig wirkt das Dorf daneben. Technik hat den Maler Franz Radziwill immer fasziniert: Flugzeuge, Schiffe, Hafenanlagen. Doch sein Blick darauf hat sich gewandelt. Immer weniger glaubte er daran, dass es der Mensch ist, der die Technik beherrscht, und nicht umgekehrt.

So hat er sich sein Gemälde "Das rote Flugzeug" von 1932 in den 1940er Jahren immer wieder vorgenommen, wie man heute unter UV-Licht erkennen kann. Klein und unscheinbar hat er eine gebeugte Gestalt hinzugefügt. Dieses Gerippe ist kein eleganter Tänzer wie seine Verwandten auf den mittelalterlichen Totentänzen. Eher wie ein Kapitulierender auf seine weiße Fahne stützt sich der Tod auf seine Sense. Solche düsteren Symbole des Überirdischen häufen sich seit den 1940er Jahren in den Bildern des friesischen Künstlers: Risse, die sich durch Himmel und Erde ziehen, Engel, Fabelwesen und kosmische Körper.

Ein brisantes Thema

Die Ausstellung "Franz Radziwill. 111 Meisterwerke aus privaten Sammlungen" in der Kunsthalle Emden zeichnet den weiten Weg nach, den der Künstler gegangen ist: Vom Expressionismus, mit dem der gelernte Maurer und künstlerische Autodidakt seit den 1910er Jahren experimentierte, über den abrupten Stilwechsel zur Neuen Sachlichkeit in den 1920ern bis zum Magischen Realismus. Ein weiter Weg nur im künstlerischen Sinne, nicht im geografischen: Radziwill blieb seiner Wahlheimat Dangast am Jadebusen sechs Jahrzehnte lang treu. Im Jahr 2011 ist ihm ein Themenjahr unter dem Motto "Radziwill im Norden" gewidmet. Nach dem Auftakt in Emden folgen ab 13. März Schauen in Dangast, Wilhelmshaven und Oldenburg. An den ersteren beiden Ausstellungsorten hat man sich an ein Thema herangewagt, das im Norden mit großer Vehemenz diskutiert wird: Die Rolle des Künstlers im Nationalsozialismus.

1933 trat Radziwill in die NSDAP ein - mit enthusiastischen Plänen, die Kulturpolitik der Nazis mitzugestalten. Im gleichen Jahr übernahm er einen Lehrstuhl in Düsseldorf, angeblich genau jenen, den Paul Klee räumen musste. Doch schon zwei Jahre später musste auch er gehen: Die Nazis waren auf seine expressionistische Vergangenheit aufmerksam geworden. Stilistisch, da sind sich die Experten einig, hat sich Radziwill nie angepasst. "Was Kunst ist, bestimme ich", hielt er einmal erbost den NS-Behörden entgegen. Ausgelöst durch die Kränkung des Rauswurfs wuchs seine Distanz zum Regime. "Macht geht vor Recht". Diesen Ausspruch liest man in der Emder Ausstellung versteckt auf einem Stilleben von 1938. Solche Konflikte hinderten ihn jedoch nicht, den bescheidenen Posten eines örtlichen "Kreiskulturhauptstellenleiters" anzunehmen und bis zum Schluss gute Kontakte zu NS-Funktionären zu pflegen.

Den Glauben gefunden

Um so erstaunlicher, dass Radziwill sich gleichzeitig der Bekennenden Kirche zuwandte. "Dieser Aspekt ist überhaupt noch nicht erforscht", stellt der Oldenburger Historiker Joachim Tautz fest. Oft heißt es, dass Radziwill nach dem Tod seiner ersten Frau 1942 zum Glauben fand. Doch Tautz weist nach, dass der Maler schon Mitte der 1930er Jahre Kontakte zu Pastoren der Bekennenden Kirche pflegte. Die Zeugnisse dazu sind rar. "Radziwill war nicht der Mensch, der sich organisatorisch bindet", meint der Historiker.

Doch nach dem Krieg klagte der Künstler auf eine Entschädigung wegen seiner Entlassung in Düsseldorf. Dafür musste er nachweisen, politisch verfolgt gewesen zu sein - als NSDAP-Mitglied kein leichtes Unterfangen. In diesem Zusammenhang berichtet Radziwill von einer Versammlung der Bekennenden Kirche, die untersagt wurde. Spontan stellte er sein Atelier als Versammlungsort zur Verfügung - und hatte fortan regelmäßigen Besuch vom Sicherheitsdienst der SS. Für seine Malerei, wie Radziwill später behauptete, interessierten sich diese Herren allerdings überhaupt nicht, stellt Tautz klar.

Seit 1945 reflektierte der Maler öfter in Briefen über seinen Glauben, kaufte Bücher über Theologie und Religionsphilosophie. "Vor jeder theologischen Fakultät wäre er durchgefallen", meint Tautz mit einem Augenzwinkern. Radziwill schuf sich gewissermaßen seine eigene Religion aus pantheistischen und naturmystischen Ideen. "An die steinernen Gotteshäuser, die noch immer nicht lebendig geworden sind, brandet die Verzweiflung", schrieb er 1946. "Mir ist mein Garten heut' genug."

Die Ausstellung "Franz Radziwill. 111 Meisterwerke aus privaten Sammlungen"  wird bis 19. Juni 2011 in der Kunsthalle Emden gezeigt. Vom 13. März bis 22. Mai 2011 sind zu sehen:  "Der Maler Franz Radziwill im Nationalsozialismus”, Franz-Radziwill-Haus Dangast (in Kooperation mit der Kunsthalle Wilhelmshaven); "Franz Radziwill – Expressionismus und Neue Sachlichkeit", Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg; "Die Schönheit des Alleinseins – Werke nach 1945", Stadtmuseum Oldenburg.


Annedore Beelte arbeitet als freie Journalistin in Oldenburg.