Gerichtshof rügt Sicherungsverwahrung in Deutschland

Gerichtshof rügt Sicherungsverwahrung in Deutschland
Die nachträgliche Anordnung einer Sicherungsverwahrung gegen gefährliche, in Haft befindliche Gewaltverbrecher verstößt gegen die Menschenrechte und ist unzulässig. Dies hat am Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entschieden und das deutsche Vorgehen bei der Sicherungsverwahrung gerügt. Die Richter gaben damit vier Sexualstraftätern recht (AZ: 6587/04 u. a.).

In einem der verhandelten Fälle war der Beschwerdeführer Albert H. im März 1999 vom Landgericht Passau wegen zweifacher Vergewaltigung zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Drei Tage vor der vollständigen Verbüßung seiner Strafe hatte die Strafvollstreckungskammer Bayreuth nachträglich eine Sicherungsverwahrung gegen den damals 65-Jährigen angeordnet.

Wegen der hohen Rückfallgefahr müsse die Öffentlichkeit vor Albert H. geschützt werden, war die Begründung. Der Sexualstraftäter habe in der Haft jegliche Therapiebemühungen abgelehnt und die begangenen Straftaten abgestritten. Das Gericht stützte sich auch auf psychologische und psychiatrische Gutachten. Die Gutachter hatten bei dem Straftäter eine Hirnstörung festgestellt, die zu einer hohen Rückfallgefahr führe. Mittlerweile befindet sich Albert H. nicht mehr in Haft. Er ist in einem psychiatrischen Krankenhaus in Bayreuth untergebracht.

Das Straßburger Gericht stellte in seinen Urteilen klar, dass eine nach einer Verurteilung nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung gegen das in der Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Freiheit und Sicherheit verstößt. Gegen eine Sicherungsverwahrung sei zwar grundsätzlich nichts einzuwenden, diese müsse jedoch bei der Verurteilung ausgesprochen werden. Die Verhängung einer Sicherungsverwahrung sei unzulässig, wenn es bei der Verurteilung des Straftäters dazu noch keine gesetzlichen Vorschriften gegeben hat.

Reform des Gesetzes

In den drei anderen am Donnerstag verhandelten Fällen hatte es zwar gesetzliche Regelungen zur Sicherungsverwahrung gegeben, diese war damals jedoch auf zehn Jahre begrenzt. Der Menschenrechtsgerichtshof entschied nun, dass auch eine Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die zehn Jahre hinaus, nicht erlaubt ist.

In allen Fällen wurde die Dauer der Maßnahme erst nach Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes verlängert. Diese Praxis hatte das Straßburger Gericht bereits im Dezember 2009 als Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gerügt. Einige Täter kamen deshalb in den vergangenen Monaten frei.

Seit Anfang dieses Jahres gilt ein neues Reformgesetz für rückfallgefährdete Straftäter. Dabei wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung abgeschafft. Allerdings sollen danach psychisch kranke Straftäter in Klinik untergebracht werden.

epd