Abzug aus Afghanistan "soweit die Lage erlaubt"

Abzug aus Afghanistan "soweit die Lage erlaubt"
Der Einsatz der Bundeswehr soll um weitere zwölf Monate verlängert werden. Darüber stimmt der Bundestag am 28. Januar ab. Aber immerhin gibt es jetzt so etwas wie eine Perspektive für den Beginn des Abzugs: Dezember 2011. Allerdings nur, "soweit die Lage dies erlaubt".
12.01.2011
Von Christoph Sator

Kurz vor Weihnachten 2011: Großer Aufmarsch im deutschen Feldlager Kundus. Der Verteidigungsminister ist da, der Außenminister auch. Keiner der beiden will es sich nehmen lassen, die ersten deutschen Soldaten aus Afghanistan zu verabschieden. Fast auf den Tag genau zehn Jahre ist es dann her, dass der erste Trupp der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK afghanischen Boden berührte. Die Trümmer des World Trade Center rauchten damals noch. Jetzt dürfen die ersten 100 Mann nach Hause. Aber fast 4500 deutsche Soldaten sind immer noch da.

So ungefähr könnte es sich abspielen, wenn in Erfüllung geht, was sich die schwarz-gelbe Bundesregierung in ihrem neuen Afghanistan- Mandat vorgenommen hat: Mandat Nr. 13 seit Ende 2001. Wieder wird der Einsatz um zwölf Monate verlängert, diesmal bis zum 31. Januar 2012. Weiterhin dürfen bis zu 5350 Soldaten eingesetzt werden, davon 350 "flexible Reserve". Aber zum ersten Mal gibt es darin auch einen Termin, wann der Abzug der Bundeswehr beginnen könnte. Mit viel Wenn und Aber. Doch immerhin.

Abzug ab Ende 2011 - mit Einschränkungen

Sieben Seiten umfasst der "Antrag der Bundesregierung", mit dem sich jetzt der Bundestag befassen wird. Entschieden wird am 28. Januar. Der wichtigste Satz findet sich auf Seite 6: "Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können." Dann kommen die Einschränkungen: "Soweit die Lage dies erlaubt". Ohne dadurch "unsere Truppen zu gefährden". Oder die "Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses".

Die Ausstiegsformel ist ein Kompromiss, auf den sich Außenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der ersten Januar-Woche geeinigt haben. Der FDP-Chef wollte eine möglichst genaue Festlegung noch für dieses Jahr, der Mann von der CSU lieber nicht. Guttenberg hält von der gesamten Termindebatte nicht viel. Auf keinen Fall dürfe man "leichtsinnig" werden, warnt er. Und stichelt in Richtung Auswärtiges Amt: "Vor diesem Hintergrund ist mir völlig wurscht, ob man das Jahr 2004 oder 2013, 2010 oder 2011 oder 2012 nennt."

SPD und einige Grüne werden wohl zustimmen

Westerwelle wollte am Mittwoch zum Kommentar des Kollegen nicht Stellung nehmen. "Gar nichts sage ich dazu." Der Außenminister ließ aber ein DIN-A-4-Blatt verteilen, auf dem er die eigenen Abzugstermin-Äußerungen aus den vergangenen elf Monaten zusammenstellen ließ. Auch ein Mittel um zu zeigen, wer sich durchgesetzt hat. Außerdem sei es wichtig, Druck auf die afghanische Regierung auszuüben, damit der weitere Abzugs-Fahrplan - von der Übergabe der ersten Provinzen in diesem Frühjahr bis zum Abzug der letzten Kampftruppen 2014 - Bestand habe.

Die schwarz-gelbe Regierung hat mit der jetzt gefundenen Formulierung aber auch die Opposition im Blick. Die Nennung eines einigermaßen zuverlässigen Termins war Voraussetzung dafür, um die immer mehr am Einsatz zweifelnde SPD zu einer Zustimmung zu bewegen. Dieses Mal wird es wohl noch gelingen, die meisten SPD-Abgeordneten zu einem Ja zu bewegen. Bei den Grünen wird sich der Großteil enthalten. Allenfalls ein knappes Dutzend wird wohl dafür sein. Die Links-Fraktion wird wieder mit Nein stimmen.

Neues Mandat ohne das Wort "Krieg"

Damit wird es im Parlament für die Verlängerung um ein weiteres Jahr aber wieder eine klare Mehrheit geben - obwohl die meisten Deutschen den Einsatz lieber heute als morgen beenden würden. In Umfragen gibt es für die Afghanistan-Mission schon lange keine Mehrheit mehr. In einem Jahr, wenn es auch bis zur nächsten Bundestagswahl nicht mehr so weit ist, dürfte es dann auch im Bundestag erheblich schwieriger werden, das Mandat auf eine breite Basis zu stellen.

Entscheidend wird das davon abhängen, wie sich die Lage in Afghanistan entwickelt - ob es gelingt, die radikal-islamischen Taliban-Kämpfer weiter zurückzudrängen, wie die neue Afghanistan- Konferenz im Herbst bei Bonn auf dem Petersberg läuft, ob der Kampf gegen Drogenhandel und Korruption Fortschritte macht. Und auch davon, wie viele weitere Bundeswehr-Angehörige bis dahin am Hindukusch gefallen sind. Bislang sind es 45 Tote. Das Wort "Krieg" fällt im Text für das neue Mandat übrigens nicht.

Offen lässt die Bundesregierung auch, wie viele Soldaten im Idealfall in elf Monaten nach Hause geholt werden könnten. "Jetzt über eine Größenordnung zu sprechen, wäre reine Spekulation", sagt Westerwelle. Zahlentricks - das Kontingent von derzeit 4570 Soldaten im Herbst zu erhöhen, um dann im Dezember ohne große Mühe die ersten Frauen und Männer abziehen zu können - soll es aber keine geben.

dpa