Die Verbraucher haben nach dem Dioxin-Skandal die Regale mit Bio-Eiern leer gekauft. "Bio-Eier sind ausverkauft", sagte Prof. Ulrich Hamm, Experte für Lebensmittelmarketing im Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Uni Kassel, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Schon ohne Skandal seien Eier und Geflügelfleisch, aber auch Schweinefleisch aus ökologischer Produktion knapp, denn die Umstellung dieser Betriebe sei besonders schwierig und teuer.
Der Bedarf an Bio-Produkten lasse sich derzeit nicht befriedigen, sagte Hamm. "Wo sollen wir die Eier hernehmen - die Hühner legen ja nicht plötzlich zwei am Tag." Öko-Händler mit langfristigen Lieferverträgen hätten weniger Probleme, Ware zu bekommen als Discounter, die erst kurz im Bio-Geschäft seien. Kleine Mengen könnten aus Belgien, Niederlanden und Frankreich beschafft werden - "aber die anderen haben auch nichts."
Der Run auf die Bio-Eier werde aber bald nachlassen, glaubt der Wissenschaftler. Allerdings blieben nach jedem Skandal auch einige Verbraucher den Bio-Produkten treu, so dass das Geschäft mit Öko-Ware immer noch überdurchschnittlich zulege. Im vergangenen Jahr sei der Umsatz nach ersten Schätzungen vermutlich um rund fünf Prozent gewachsen.
"Zu wenige Landwirte haben auf Öko umgestellt", sagte Hamm. Das sei bei der Schweine-, Hühner- und Eierproduktion besonders schwierig. "Das Schlimmste ist der Stall-Umbau." Die Ställe müssten komplett verändert werden, um den Tieren mehr Auslauf zu geben. Bei großen Betrieben mit Tausenden von Tieren sei das fast unmöglich - "diese Riesenbetriebe umzustellen, ist ganz, ganz schwer - die Fläche für Bio ist gar nicht da."
Auch sei es problematisch, Futterlieferanten zu finden, die den Bio-Standard erfüllen. Soja spiele als Eiweißlieferant eine große Rolle - für konventionell wirtschaftende Betriebe sei es leicht zu beschaffen, aber Bio-Betriebe hätten Schwierigkeiten, Soja ohne gentechnisch veränderte Bestandteile zu bekommen.
Dioxin-Skandal Thema im Bundestag
Der Dioxin-Skandal steht am Dienstag im Mittelpunkt einer Sondersitzung des Verbraucherausschusses des Bundestags. Alle Parteien fordern Konsequenzen. Ministerin Ilse Aigner (CSU) will dem Gremium ihre Vorschläge unterbreiten, wie weitere Fälle von Dioxin, das ins Tierfutter gelangt, verhindert werden können.
So sollen Futterhersteller nur noch unter strengen Bedingungen zugelassen werden, fordert Aigner. Und sie sollen nicht mehr parallel Futterfette und Fette etwa für die Papierindustrie herstellen dürfen. Kriminelle Panschereien gelten als Auslöser des Skandals, der zeitweise zur Sperrung von etwa 5000 Höfen geführt hatte.
Die FDP schlägt EU-weite Regelungen vor, damit Futtermittel nicht mehr so weit verdünnt werden kann, dass Dioxinbelastungen nicht mehr auffallen. Von der SPD kommt der Vorschlag, eine bundesweite Warnplattform für verdächtige Lebensmittel einzurichten. Da Lebensmittelkontrolle Ländersache ist, informieren die betroffenen Länder bisher meist nur über verdächtige Produkte in ihrer Region.
Nur noch 558 Betriebe gesperrt
Bisher wurden in 19 Lebensmittel-Proben überhöhte Gift-Wert ermittelt. Es handelte sich um 18 Proben von Eiern und eine Probe von Legehennenfleisch, wie aus einer Aufstellung des Verbraucherschutzministeriums hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend vorlag. Insgesamt wurden demnach 87 Proben ausgewertet. Proben bei Hähnchen, Puten- und Schweinefleisch sowie bei Kuhmilch wiesen bisher keine Überschreitung von Grenzwerten auf.
Tausende wegen Dioxin-Verdachts gesperrte Agrarbetriebe dürfen inzwischen wieder ihre Produkte verkaufen. Nach Angaben von Montagabend waren noch 558 Betriebe gesperrt, davon 330 in Niedersachsen, 143 in Nordrhein-Westfalen und 62 in Schleswig-Holstein. Zeitweise waren bis zu 5.000 Agrarbetriebe vorsorglich gesperrt worden.
Auf den Verursacher der Dioxinverschmutzung könnten unterdessen nach ersten Schätzungen der Bundesländer weit mehr als 100 Millionen Euro Schadenersatzansprüche zukommen. Das berichtet das Bielefelder "Westfalen-Blatt" (Dienstagausgabe). Neben den betroffenen Landwirten wollten auch Bundesländer Regressansprüche in Millionenhöhe anmelden. Das hätten die Landwirtschaftsministerien von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und NRW angekündigt. Von dem Skandal sind bisher 13 Bundesländer betroffen.
Das Dioxin soll in einer Firma im niedersächsischen Bösel in das Futterfett gekommen sein. Das Unternehmen arbeitet als Spedition für Fette. Die Futterfettproduktion wurde dort wohl illegal betrieben. Die Firma ist ein Partnerunternehmen von Harles und Jentzsch in Schleswig-Holstein, das die Dioxin-belasteten Futterfette vertrieben hatte und nun im Fokus der Ermittlungen steht.
EU-Futtermittelhersteller versprechen Maßnahmen
Die Hersteller von Futtermitteln in der EU haben Maßnahmen angekündigt, mit denen künftig eine Verunreinigung von Tierfutter durch Dioxin verhindert werden soll. Der Europäische Verband der Mischfutterindustrie versprach bei einem Krisentreffen am Montag in Brüssel, er werde Details innerhalb der kommenden drei Wochen vorlegen. Dies teilte ein Sprecher der EU-Kommission nach dem Treffen von Experten eines ständigen EU-Ausschusses für die Lebensmittelsicherheit mit.
Die Mischfutterhersteller wollen vor allem konkrete Vorschläge für ein industrieweites "risikobasiertes Dioxinmonitoring" machen, sagte der Generalsekretär des Europäischen Verbandes der Mischfutterindustrie (Fefac), Alexander Döring, der Nachrichtenagentur dpa in Brüssel. Dabei müssten "sämtliche Zuflüsse von Ölen und Fetten" in der Futtermittelherstellung berücksichtigt werden. Die Regeln für diese Überprüfungen müssten noch festgelegt werden. "Wir können nicht zaubern, aber wir werden das bis Ende des Monats geschafft haben", sagte Döring.
Die Mischfutterindustrie der EU fordere auch, dass es für die Fettmischer einen verbindlichen Leitfaden für gute Herstellungspraxis geben müsse. Die Fettmischer, die ihre Fette an die Futterhersteller lieferten, seien derzeit nicht einmal auf europäischer Ebene organisiert. "Die eigentlich betroffene Branche sitzt gar nicht mit am Tisch", sagte Döring nach der EU-Krisensitzung. Deswegen forderten die Futterproduzenten auch die Einführung einer industriellen Zulassung für Fettmischer. Dies sei mit einer Reihe von Kontrollen verbunden, denen die industriell zugelassenen Mischfutterproduzenten auch unterworfen seien. Vor allem müsse auf diesem Wege für eine Trennung der Produktlinien von Industrie- und Futterfetten bei den Fettmischbetrieben gesorgt werden.