Schnee und Eis brachten die Bahn ins Schlingern

Schnee und Eis brachten die Bahn ins Schlingern
Nach dem Winterchaos mit verspäteten oder ganz ausgefallenen Zügen gelobt die Deutsche Bahn AG Besserung. Das Unternehmen will mehr Geld in die Hand nehmen, um künftig wetterbedingte Pannen zu vermeiden.
10.01.2011
Von Günther Voss und Georg Ismar

Züge fielen reihenweise aus oder kamen nur mit großer Verspätung ans Ziel. Der Unmut ist groß, die Politik zeigt sich alarmiert. Eine Sonderkonferenz der Verkehrsminister in Berlin forderte am Montag prompt, die Weichen bei der Deutschen Bahn neu zu stellen: Gewinne sollen in die Verbesserung des Betriebs gesteckt, nicht an den Bund als Eigentümer ausgeschüttet werden. Das beschloss die Runde einstimmig.

Dass Schnee und Eis die Bahn dermaßen aus dem Takt bringen, ist nach einhelligem Urteil vor allem auf die jahrelange Sparpolitik zurückzuführen. Die sollte die Bahn fit für den angestrebten, zwischenzeitlich aber wieder abgeblasenen Börsengang machen. Sie wurde damit generell aber auch anfälliger für die Unbilden der Witterung. Auch früher schon gab es strenge Winter. Doch die Bahn, so erinnern sich altgediente Eisenbahner, kam damit weitaus besser klar als momentan.

Das zeigte sich zuletzt beispielhaft daran, dass immer weniger Züge pünktlich ankamen. Im Fernverkehr war zeitweise nur noch jeder fünfte Zug fahrplangemäß unterwegs. Im Regionalverkehr fuhren laut Medienberichten nach einer internen Bahn-Statistik zeitweise nur sechs von zehn Zügen pünktlich. Die Reserven sind zu knapp, die Wartungskapazitäten reichen nicht aus. Mehr als 100.000 Bahnkunden beantragten inzwischen die Erstattung des Fahrpreises.

Grube bittet um Verständnis

Der im Kreuzfeuer stehende Bahnchef Rüdiger Grube wirbt um Fairness und Verständnis. Auch im Flug- und Autoverkehr habe "der härteste Winter seit 40 Jahren" massive Probleme gebracht. Passagiere saßen, wie im Fernsehen zu besichtigen war, nächtelang an Airports fest, um dann doch auf die Bahn auszuweichen. Die schickte immerhin zusätzliche Züge auf die Strecke, um die Leute an ihren Ort zu bringen. Auf manchen Bahnrouten, so Grube, habe es durch die Flugausfälle "bis zu 100.000 Buchungen täglich" zusätzlich gegeben.

Der Bahnmanager räumt aber ein: "Wir haben zur Zeit nicht genug Züge, um in Extremsituationen ausreichend Ersatzmaterial anbieten zu können." Aufgrund verschärfter Kontrollen müssten die ICEs zehn bis zwölf Mal häufiger in die Werkstatt als früher. "Das ist ein großer Engpass." Um den zu beheben, brauche es viel Geld. Grube: "Es ist kein Geheimnis: Die Infrastruktur der Bahn ist unterfinanziert." Statt der eingeplanten 1,4 Milliarden Euro für Aus- und Neubau müssten es nach seinen Worten mindestens zwei Milliarden sein, wenn die Bahn mit dem prognostizierten Wachstum fertig werden wolle.

Immerhin hat die Bahn auch im Krisenjahr 2009 Geld verdient - knapp 1,7 Milliarden Euro - und Schulden abgebaut. Eine Dividende hat der Bund noch nie gesehen. Nach dem Winterdesaster beteuert Grube nun, die Bahn werde ihre inländischen Hausaufgaben erledigen, bevor sie die 15 neuen ICE-3-Hochgeschwindigkeitszüge ins Ausland rollen lasse. Sie setzt dabei auf eine Investitionsoffensive, für die in den nächsten fünf Jahren 44 Milliarden Euro fließen sollen. Manche meinen, auch das sei noch nicht ausreichend.

Tausende Schneeräumkräfte

Derzeit steckt der Bund pro Jahr in Erhalt und Ausbesserung des Schienennetzes etwa 2,5 Milliarden Euro. Noch mal knapp 1,5 Milliarden Euro sind es für den Aus- und Neubau. Auch nach Meinung des Vorsitzenden des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Herrmann (Grüne), ist das zu wenig. Die vom Bund für seinen Haushalt bis 2014 fest eingeplante Dividende der Bahn von 500 Millionen Euro pro Jahr würde hier sicher weiterhelfen.

Die Bahn hatte in diesem Winter bereits viele Vorkehrungen getroffen, etwa ein Winterwarnsystem aufgebaut, um notfalls die Bereitschaften aufzustocken. Rund 10.000 Schneeräumkräfte waren im Einsatz. Aber es reichte einfach nicht. Bis Jahresende sollen nun 700 Weichen mit Heizungen nachgerüstet werden. Denn sie sind eine der Schwachstellen im Netz. Wenn etwa zwischen Hannover und Berlin die Weichen einfrieren, dauert es einfach zu lange, bis die Techniker von weit entfernten Einsatzstellen vor Ort sind. Bis dahin ist der Fahrplan aber nach aller Erfahrung schon für Dutzende, wenn nicht hunderte Züge aus dem Takt geraten.

dpa