"Tatort: Unter Druck", 9. Januar, 20.15 Uhr im Ersten
Einen Krimi, der im Verlagsmilieu spielt, "Unter Druck" zu nennen, mag vielleicht nicht wahnsinnig originell sein. Aber der Titel bringt die Atmosphäre des Films prima auf den Punkt, denn in der Tat stehen in dieser Geschichte von Dagmar Gabler alle unter einem enormen Druck: der Kölner Zeitungsverlag, weil er sich in Fusionsverhandlungen mit einem britischen Konzern befindet; die eigens für diesen Vorgang engagierten Berater, denn sie müssen nicht nur die Effizienz des Unternehmens erhöhen, sondern auch einen Folgeauftrag an Land ziehen; die Belegschaft des Verlags, da jeder Einzelne aus Gründen der Effizienzsteigerung mit seiner Kündigung rechnen muss; und schließlich die Polizei, denn bei einem Mord ausgerechnet im Redaktionsgebäude einer Zeitung ("Kölner Abendblatt") schaut den Ermittlern natürlich die ganze Stadt auf die Finger.
Beste Voraussetzungen also für einen komplexen Krimi vor reizvollem Hintergrund, zumal es nach dem Mord an einem der vier Unternehmensberater buchstäblich Dutzende von Verdächtigen gibt: Das von der resoluten Rita Landmann (Claudia Michelsen) angeführte Quartett ist bei den Verlagsmitarbeitern regelrecht verhasst. Allerdings könnte es sich auch um eine Beziehungstat handeln. Der Mann galt zwar als Schnösel, hat aber bei einer jungen Frau aus der Anzeigenabteilung großen Eindruck hinterlassen, worüber ihr Freund verständlicherweise nicht sonderlich begeistert war. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) wiederum ist nicht minder beeindruckt von Frau Landmann, was den Ermittlungen auch nicht eben förderlich ist.
DuMont Schauberg als Vorbild?
Regisseur Herwig Fischer, "Lindenstraße"-geschult, verzichtet in seinem ersten "Tatort" weitgehend auf vordergründige Spannungselemente. Diese Kriminuss muss mit Köpfchen geknackt werden. Kommissare, die mit der Waffe rumfuchteln, würden hier deplaziert wirken; Verfolgungsjagden sind gleichfalls Fehlanzeige. Um so interessanter ist der Handlungsort. Natürlich kann man sich denken, um welches "großes Kölner Druck- und Verlagshaus" es sich handelt, auch wenn der WDR keine näheren Angaben machen möchte. Da der Film vor ziemlich genau einem Jahr entstanden ist, konnte man kaum ahnen, welche Turbulenzen sich in den folgenden Monaten dort abspielen würden. Autorin Gabler erzählt ohnehin eine völlig andere Geschichte, aber die Parallelen zu Ereignissen in der deutschen Zeitungslandschaft sind derart offenkundig, dass man im Abspann unwillkürlich den Hinweis erwartet, eventuelle Ähnlichkeiten seien rein zufälliger Natur.
Abgesehen davon gibt es den beschriebenen Druck selbstredend nicht nur im Verlagsgeschäft. Der Schock, plötzlich bloß noch "Betriebsmittel" zu sein, das eingespart werden kann, und sich auf einer entsprechenden Schwarzen Liste wiederzufinden, ist für verdiente Mitarbeiter in jedem Gewerbe gleich groß. In Gablers Krimi führt die erschütternde Erkenntnis zu einem zweiten Todesfall. Die dicht erzählte Handlung sowie die prägnante Besetzung der Schlüsselrollen im Verlag (Hansjürgen Hürrig als Verleger, Johann von Bülow als Geschäftsführer, Felix Vörtler als Personalchef) sorgen dafür, dass der Film auch ohne die üblichen Krimiversatzstücke fesselt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).