"Tatort: Tödliche Ermittlungen", 2. Januar, 20.15 Uhr im Ersten
Ein "Tatort" ganz ohne die vielzitierte Relevanz, ein Film also, der bloß Krimi ist und nicht die Gesellschaft verändern will: Das ist ja auch mal schön. Freunde des Genres wird allerdings irritieren, das eine Folge der ausgezeichneten ZDF-Reihe "Unter Verdacht" kürzlich bei ihrer Premiere auf Arte eine ganz ähnliche Geschichte erzählte; und dazu komplexer: Polizeischülerin kommt einem schwungvollen Dopinghandel auf die Spur und muss ihre vorwitzigen, weil eigenmächtigen Recherchen mit dem Leben bezahlen; der "Tatort"-Titel "Tödliche Ermittlungen" bringt das nüchtern und sachlich auf den Punkt. Gefühle, man ahnt es, spielen trotzdem eine Rolle, schließlich sind im Leben wie im Film spontane Morde meist Beziehungstaten. Außerdem besuchte die junge Bettina die gleiche Polizeischule wie Lena Odenthal (Ulrike Folkerts).
Der Rektor (Christian Redl) ist immer noch derselbe. Er hat die heutige Hauptkommissarin schon damals über die Maße geschätzt und auch später noch heimlich ordnend in ihre Karriere eingegriffen. Dass dieses Geständnis die gestandene Beamtin einigermaßen verblüfft, kann man gut verstehen. Dass Brandstetter auch anders kann, zeigt sich, als Lena die Polizeischule schließlich zum Zentrum der Ermittlungen erklärt. Zwar haben der zwielichtige Betreiber (Ralph Herforth) eines Fitness-Centers und sein türkischer Schläger (Fahri Yardim) eindeutig Dreck am Stecken, doch Bettinas Mitschüler Heiner (Adrian Topol) und Torben (Matthias Ziesing) sind ebenfalls in die Tat verwickelt. Dass Torben der Sohn des Rektors ist, macht die Dinge nicht eben einfacher.
Geschichte wird schnörkellos erzählt
Andreas Schlüter (Buch) und Michael Schneider (Regie) erzählen die Geschichte angenehm gradlinig und schnörkellos. Wie im wahren Leben, so spielen auch im TV-Krimi die Fortschritte in der Kriminaltechnik eine immer größere Rolle; ohne die entsprechenden Auftritte von Peter Espeloer, der als unverwechselbarer Forensiker Peter Becker seit einiger Zeit regelmäßig entscheidenden Anteil an der Lösung der Fälle hat, wäre die Handlung fast zu überschaubar. Die Schauspieler führt Schneider allerdings vorzüglich, was naturgemäß weniger für die Routiniers, sondern vor allem für die jungen Mitwirkenden gilt. Gerade die junge Michelle Barthel, die schon als Hauptdarstellerin von Aelrun Goettes Kinderdrama "Keine Angst" imponierte, setzt deutliche Akzente.
Das gilt auch für die Bildgestaltung (Kamera: Ralf Nowak, Stefan Sommer), selbst wenn die Aufnahmen mitunter allzu sehr im Gegenlicht schwelgen. Aber auch das Drehbuch wartet mit einigen hübschen Randerschienungen auf, darunter dem Privatkrieg von Kopper (Andreas Hoppe) mit einer übereifrigen Politesse. Der Odenthal-Partner hat diesmal ohnehin einige sehr coole Szenen. Neben den Bildern aus der Schule sorgt schließlich auch ein beklemmend realistisch inszenierter Einsatz der Polizeischüler gegen prügelwütige Hooligans für authentische Einblicke in das Dasein als Polizist.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).