TV-Tipp des Tages: "Tatsächlich ... Liebe" (Vox)

TV-Tipp des Tages: "Tatsächlich ... Liebe" (Vox)
Zehn verschiedene Liebesgeschichten, charmant serviert von Britannias zuständiger Romantik-Fachkraft Richard Curtis ("Vier Hochzeiten und ein Todesfall", "Notting Hill", "Bridget Jones").
23.12.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatsächlich ... Liebe", 28. Dezember, 20.15 Uhr auf Vox

Glücklich, wer solche Freunde hat: den verschrobenen Egoisten Bean, den liebenswert linkischen Buchhändler aus "Notting Hill", die Figuren aus "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" - sie alle sind Geschöpfe von Richard Curtis. "Tatsächlich ... Liebe" war nach diversen Drehbüchern endlich seine erste Regiearbeit, und sie sind alle wieder da. Der Buchhändler ist jetzt Premierminister und der Egoist Verkäufer in der Parfum-Abteilung eines Kaufhauses. Sie müssen sich ihre Hauptrollen zwar mit einem guten Dutzend anderer Figuren teilen, doch ansonsten hat sich nichts geändert: Die Atmosphäre des Films trifft traumwandlerisch sicher das optimistische Lebensgefühl von "Notting Hill", die Dialoge und Drehbucheinfälle sind ebenso trocken humorvoll und ironisch wie in "Vier Hochzeiten". Bloß der Slapstick aus "Mr. Bean" fehlt, aber den vermisst man gar nicht.

"Tatsächlich ... Liebe" ist gleichzeitig Ensemble- wie auch Episodenfilm, wobei Curtis die verschiedenen Ebenen derartig kunstvoll miteinander verknüpft, dass man die Übergänge oft kaum wahrnimmt. Mal ist es ein Lied, dass zwei Szenen verbindet, mal die bloße Verwandtschaft zweier Figuren, mal ein gewagter Schnitt. Vor allem aber lebt der Film von der Liebe zur Liebe, zum Leben, zu seinen Figuren und damit zu den Menschen. Das klingt weitaus pathetischer, als der Film selbst es ist. Andererseits hat Curtis keine Scheu vor großen Gefühlen; weder vor der großen Liebe noch vor der großen Tragik. Und so haben die amüsanten Passagen auch ihre traurigen Untertöne und die Tragödien ihre komischen Momente.

Das kann nur funktionieren, weil Curtis in den 140 Filmminuten, von denen man nicht eine missen möchte, gleich mehrere Filme erzählt. Als würde er nach dieser nie wieder eine romantische Komödie schreiben, geht er geradezu verschwenderisch mit seinen Einfällen um. Dass er sich dabei sogar den Luxus leisten kann, auf ein narratives Zentrum zu verzichten, macht den Film erst recht zu einem Kunstwerk von schwereloser Leichtigkeit.

Nur aus diesem Grund verzeiht man es Curtis auch, wenn er eine seiner Figuren für eine ganze Weile aus den Augen verliert. Hugh Grant beispielsweise spielt keineswegs die Hauptrolle in der Geschichte; dafür hat er als Premierminister, der in unbeobachteten Momenten schon mal durch das ehrwürdige Gebäude in der Downing Street tanzt, die schönsten Auftritte. Der sympathische Politiker verliebt sich in die hübsche junge Natalie Martine McCutcheon), die ihm den Tee serviert. Seine Schwester (Emma Thompson) ist mit einem Verleger (Alan Rickman) verheiratet, der sich mit den heftigen Avancen seiner Sekretärin (Heike Makatsch) konfrontiert sieht. Und dann ist da noch Mark (Andrew Lincoln), der die bildschöne Frau (Keira Knightley) seines bestens Freundes liebt. Oder der Schriftsteller (Colin Firth), der seine Frau mit seinem Bruder erwischt, in die Provence abhaut und sich dort in seine portugiesische Haushälterin verliebt.

Die schönste Episode erzählt vom Comeback eines abgehalfterten Rock-Stars (Bill Nighy), der mit seinem fröhlichen Zynismus für einigen Wirbel sorgt; und die traurigste beschreibt, wie ein Junge und ein Mann (Liam Neeson) gemeinsam über den Verlust der Frau hinwegkommen, die ihnen beiden am meisten bedeutet hat. Selbst ihnen aber bleibt nicht erspart, was Curtis' Figuren so liebenswert und menschlich macht: die zielsicheren Tritte in möglichst viele Fettnäpfchen.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).