"Tatort: Borowski und der vierte Mann", 26. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Das makabre Puzzle lässt auf einen Serienmörder schließen: Erst wird ein Fuß gefunden, dann eine Hand; die Körperteile stammen von verschiedenen Opfern. Die Umstände deuten allerdings auch in eine andere Richtung: Womöglich steckt ein militanter Tierschützer hinter den Morden. Den Fuß findet ein Wildhüter in einer Tierfalle. Das entsprechende Gelände gehört zu den Ländereien eines Guts, auf dem sich eine illustre Gesellschaft eingefunden hat: verwöhnte, gelangweilte junge Männer, die sich durch die illegale Jagd auf eigens erworbenes Großwild die Zeit vertreiben. Der Fuß stammt vom Besitzer des Landguts, die Hand von einem Kürschner, der die getöteten Tiere zu Bettvorlegern verarbeitet hat. Einzig Borowski (Axel Milberg) glaubt nicht an die naheliegende Erklärung. Er findet raus, dass die Opfer Teil einer Pyramide waren: Eine Person bringt mehrere Mitmenschen dazu, ihr viel Geld zu überlassen. Die anderen machen es ähnlich: 20.000 Euro Einsatz, 80.000 Euro Gewinn. Bei diesem Spiel aber gewinnt nur der Tod; und Borowski ahnt, dass der Mann an der Spitze der Pyramide das nächste Opfer sein wird.
"Borowski und der vierte Mann" ist ein typischer "Tatort" und ein typischer Mankell-Stoff. Axel Milberg war es, der den schwedischen Schriftsteller Henning Mankell dazu überreden konnte, ein Exposé zu entwerfen. Der vielfach ausgezeichnete Daniel Nocke, sonst zumeist Drehbuchautor für Stefan Krohmer, hat aus der Vorlage eine eigenständige Geschichte geschaffen, deren Umsetzung (Claudia Garde) nicht zuletzt vom frostigen Klima des vergangenen Winters profitiert: Klirrende Kälte und tiefer Schnee passen perfekt zu dieser düsteren Handlung, die mit der Dekadenz der reichen Snobs ebenso abrechnet wie mit fragwürdigen Finanzgeschäften. Die Anlageberater sind mit Tonio Arango, Michael Rotschopf und vor allem Susanne Wolff trefflich besetzt. Gerade die Cousine des ersten Opfers treibt ein böses Spiel mit Borowski, der sich darauf jedoch gern einlässt: weil er längst die Rolle der Katze innehat, als sie noch glaubt, er sei die Maus.
Der moralisch integre Ermittler bekommt ohnehin viele Gelegenheiten, seine Antipathie gegen die arroganten Mitglieder der Jagdgesellschaft auszuleben; einige der Szenen sind dabei von deftiger Drastik, andere von erfrischend schwarzem Humor. Freunde des Kieler "Tatorts" werden außerdem erfreut zur Kenntnis nehmen, dass Borowskis geliebte Kollegin Frieda Jung eine große Rolle spielt. Körperlich ist sie zwar nicht anwesend, aber dennoch permanent präsent. Am Ende verhilft sie dem Fall sogar zu seiner überraschenden Lösung; in dieser klugen Geschichte haben nicht nur die Särge einen doppelten Boden.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).