Schwere Weihnachtszeit für Loveparade-Opfer

Schwere Weihnachtszeit für Loveparade-Opfer
Die Telefone klingeln unaufhörlich und täglich kommen neue Hilferufe über das Internet. Auch fünf Monate nach dem Duisburger Loveparade-Unglück sind die Seelsorger pausenlos im Einsatz. Die Weihnachtszeit liegt den Angehörigen besonders schwer auf der Seele.
17.12.2010
Von Holger Spierig

"Besonders die Weihnachtszeit ist eine sehr sensible Phase", erklärt Jutta Unruh vom Landespfarramt für Notfallseelsorge der rheinischen Kirche in Düsseldorf. Angehörige der Opfer erlebten nun schmerzlich das erste Weihnachten ohne die Tochter, den Bruder oder den Freund. In einer solchen Situation stellten viele Menschen Fragen nach dem Sinn des Lebens.

Die Religionspädagogin hatte nach dem Unglück ihren Urlaub abgebrochen und war nach Duisburg geeilt. Seitdem spricht sie mit Opfern und Angehörigen, organisiert gemeinsam mit einem Team Treffen mit Angehörigen und traumatisierten Teilnehmern. So wie Unruh sind noch immer viele der Seelsorger seit dem 24. Juli im Einsatz, an dem das Techno-Musikspektakel durch eine Massenpanik in eine Katastrophe mit 21 Todesopfern und 500 Verletzten umschlug.

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Besonders schmerzlich sei für die Angehörigen, dass noch Monate nach den schrecklichen Ereignissen niemand die Verantwortung übernommen habe, sagt Seelsorgerin Unruh. Für Angehörige und traumatisierte Teilnehmer sei das wie eine offene Wunde. Sie könne erst dann heilen, wenn sich jemand zu seiner moralischen Verantwortung bekenne.

Die Entschuldigung des Veranstalters wird positiv aufgenommen

Dass sich vor wenigen Tagen der Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller persönlich entschuldigte, nahmen viele Betroffene positiv auf. "Es tut mir unendlich leid, ich kann es nicht rückgängig machen", sagte Schaller. Auch Ruhr.2010-Geschäftsführer Fritz Pleitgen äußerte tiefe Betroffenheit. Obwohl die Loveparade kein originäres Projekt der Kulturhauptstadt gewesen sei, "fühle ich mich moralisch mitverantwortlich", sagte er vergangene Woche.

Dagegen streiten bis heute die Stadt Duisburg, die Loveparade-Veranstalter und die Polizei über die Schuldfrage. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) weist Rücktrittsforderungen beharrlich zurück. Erst müsse die Verantwortung geklärt sein. Wenn sich die Stadt etwas vorzuwerfen habe, "dann werden wir Verantwortung übernehmen", begründet er seine Entscheidung.

Noch in den ersten Tagen nach dem Unglück erhob der gerade ins Amt gekommene NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) schwere Vorwürfe. Es sei ein "Armutszeugnis, wie mühsam es hier ist, von der Stadt und vom Veranstalter zu erfahren, was geschehen ist", machte er seinem Ärger auf einer Sitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag Luft. Er kündigte auch eine Bundesratsinitiative an, um bundesweit solche Katastrophen künftig zu verhindern. Nötig seien "hohe, klare und verbindliche Qualitätsanforderungen" an die Sicherheitskräfte des Veranstalters. Zudem müsse die Stadt die Standards überprüfen.

Bundespräsident Wulff dankt den Helfern

Der im Fernsehen und auf Großleinwände übertragene zentrale Gedenkgottesdienst eine Woche nach dem Unglück fand weit über Duisburg hinaus Resonanz. "Die Loveparade wurde zum Totentanz", sagte der rheinische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, der gemeinsam mit Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck den Gottesdienst leitete. Stärker als der Tod sei die Liebe von Menschen zueinander. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), deren Sohn an der Loveparade teilgenommen hatte, erklärte mit Tränen erstickter Stimme: "Es ist schwer, Worte zu finden angesichts des Todes."

Bundespräsident Christian Wulff, der auch für den Trauergottesdienst nach Duisburg gekommen war, dankte vor wenigen Tagen noch einmal in Berlin in einer besonderen Ehrung den Hilfs- und Rettungskräften. "Sie haben in Duisburg Unbeschreibliches und eigentlich Übermenschliches geleistet", sagte Wulff vor rund 200 Helfern, die stellvertretend für die rund 5.000 Einsatzkräfte Auszeichnungen in Empfang nahmen.

Eine Gedenktafel erinnert an die Opfer

Die offizielle Trauerzeit der Stadt Duisburg wurde sechs Wochen nach dem Unglück für beendet erklärt. Seitdem ist der Tunnel, in dem die Massenpanik ausbrach, wieder für den Verkehr geöffnet. An das Unglück und die Opfer erinnert eine dort angebrachte Gedenktafel. In einem Glaskubus wurden Trauergaben gesammelt, die Menschen in und vor dem Tunnel niederlegten. Der Hilfsfonds des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von einer Million Euro ist zwar inzwischen nahezu ausgeschöpft. Anträge sind jedoch weiter möglich und das Land dürfte die Mittel aufstocken.

Für die Seelsorger ist klar, dass ein halbes Jahres für die Verarbeitung der Tragödie nicht ausreicht. Die Trauer werde besonders die Eltern der oft jungen Opfer bis zu ihrem Lebensende begleiten, sagt der rheinische Pfarrer Joachim Müller-Lange, der die Notfallseelsorge nach dem Unglück koordinierte. Diese Trauer werde sich zwar mildern. "Aber sie wird nicht zu Ende gehen."

epd