Auch 2010 lagen alle Wahrsager falsch - außer einem

Auch 2010 lagen alle Wahrsager falsch - außer einem
Hellseher gucken auch dieses Jahr in die Röhre. Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften sammelt ihre Irrtümer. Ergebnis: 2010 schlägt Krake Paul alle Wahrsager.
16.12.2010
Von Martin Oversohl

Ein Krake hat den Wahrsagern in diesem Jahr einiges voraus. Das orakelnde und inzwischen gestorbene Tier Paul aus Oberhausen landete mit seinen Vorhersagen von Spielausgängen bei der Fußball-WM einen Volltreffer nach dem anderen. Ganz anders dagegen viele Hellseher: Die Air Force One des US-Präsidenten wurde 2010 nicht entführt, es wurde auch keine südamerikanische Stadt von einer Masse Fledermäuse attackiert und US-Außenministerin Hillary Clinton bekam keinen Nobelpreis, wie für 2010 vorausgesagt wurde.

Rund 110 Prognosen wertete die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) für dieses Jahr aus - und sie urteilt hart über die Zunft der Wahrsager: "Wie üblich blieben jene einen Nachweis ihrer selbst behaupteten Fähigkeiten schuldig."

Gut für die Menschheit: Denn einer der Schwarzseher hatte für den 13. August - übrigens ein Freitag und ziemlich pünktlich um 10.15 Uhr - einen "totalen Crash" erwartet, der "die Menschheit überrollt". Er wollte auch "monumentale Explosionen aus dem Erdinneren" nicht ausschließen - Glück gehabt. Ebenso wie bei den nicht eingetretenen Prognosen eines Palmblattdeuters, der eigentlich für den Sommer Raketenangriffe auf Flugzeuge in Berlin und Frankfurt vorhersah.

George Clooney hat doch nicht geheiratet

"Diffuse Warnungen vor irgendwelchen Katastrophen machen den Großteil solcher Prognosen aus", sagte der Wuppertaler Mathematiker und GWUP-Experte Michael Kunkel. Keine Spuren in den Vorhersagen fanden sich dagegen von den tatsächlichen großen Ereignissen - von den Flugausfällen wegen der Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull, dem Erdbeben in Haiti oder der sprudelnden Ölquelle vor der US-Küste.

Auch auf dem Börsenparkett waren die Wahrsager im ablaufenden Jahr wenig sicher unterwegs: Weder ein für den Vormittag des 1. Oktober vorausgesagter Crash noch die prognostizierten deutlichen Kursstürze um bis zu 15 Prozent ließen die Aktienmärkte erzittern. Auch heiratet Prinz William erst im kommenden Jahr, nicht bereits 2010. Und die seit Jahren angekündigten Hochzeitsglocken für Fürst Albert von Monaco blieben in den vergangenen zwölf Monaten ebenfalls stumm.

Als "Fehlprognosenmeisterin" hat Kunkel dabei die Kanadierin Nikki Pezaro ausgemacht: Sie hatte neben der Fledermaus-Invasion in Südamerika unter anderem die Hochzeit von Hollywood-Star George Clooney, eine Entführung in Michael Jacksons Familie und einen Reitunfall im Umfeld der Queen erwartet. Kunkels Urteil, kurz und schmerzlos: "Ihre wenigen Prognosetreffer können das alljährliche Prognosedebakel von ihr und der ganzen Zunft nicht wirklich retten."

Modische Strömungen bei den Prognosen

Wahrsager stochern seiner Ansicht nach alljährlich im Nebel. Das Ende der Welt, Anschläge auf den US-Präsidenten, Terror, Hunger und Naturkatastrophen gehörten zu einer Art Standardprogramm. Katastrophenprognosen seien in der Regel extrem vage formuliert, sie unterlägen außerdem im Detail "modischen Strömungen". Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA werden Jahr für Jahr und für viele Städte der Welt Attentate vorausgesehen. Seit der verheerenden Tsunami-Katastrophe in Südost-Asien 2004 findet sich laut GWUP auch dieses Stichwort immer wieder in den Prognosen.

"Für die nächsten Jahre dürften - auf Basis diesjähriger Ereignisse - Flugausfälle aufgrund von Vulkanausbrüchen und monatelange Ölleckagen bei Bohrplattformen zumindest von einigen Wahrsagern und Hellsehern in ihr Repertoire aufgenommen werden", schätzt die Gesellschaft. Sie zählt nach eigener Darstellung mehr als 900 Wissenschaftler und wissenschaftlich Interessierte. Der Verein sei als gemeinnützig anerkannt und trete für Aufklärung und kritisches Denken ein.

dpa