"Tatort: Schön ist anders", 12. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Dieser Krimi aus Leipzig wird höchstwahrscheinlich nicht in die "Tatort"- Geschichte eingehen. Dabei bietet er ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man die obligate Mördersuche mit jenem ebenfalls unvermeidlichen Anliegen kombinieren kann, für das die Sonntagsfilme seit Jahren stehen. Vordergründig suchen Eva Saalfeld und Andreas Keppler (Simone Thomalla und Martin Wuttke) nach einem Mörder: Der Personalchef der städtischen Verkehrsbetriebe ist tot im Kofferraum eines Autos gefunden worden. Das Auto gehört einem Handwerker. Der hat es als gestohlen gemeldet und weiß ansonsten glaubwürdig zu versichern, dass er mit dem Fall nichts zu tun hat.
Da dieser Uwe Fischer von Martin Brambach gespielt wird, ahnt man natürlich, dass er sehr wohl in der Sache drinsteckt; aber nicht, wie tief, und daraus bezieht der Film einen großen Teil seiner Spannung. Außerdem gibt es eine weitere prominente Mitwirkende. Corinna Harfouch spielt die überzeugend erschütterte Witwe, die allerdings ebenfalls ein erstklassiges Motiv hätte: Der Gatte hatte ein Verhältnis mit seiner Mitarbeiterin Mandy (Susanne Bormann) und wollte seine Frau angeblich verlassen. Die wiederum weist das zwar weit von sich, weil ihr Mann schon immer Affären gehabt habe, aber diesmal lagen die Dinge anders: Mandy ist schwanger.
Der Krimi steht also eindeutig im Vordergrund. Trotzdem ist die zweite Ebene von Anfang an präsent. Allerdings wird erst nach und nach klar, welche Rolle sie für den Fall spielt: Uwe Fischers Frau Moni (Jule Böwe), auch sie arbeitet für die Stadt Leipzig, ist alkoholkrank. Sie ist deshalb bereits mehrfach abgemahnt worden. Der Sohn, obschon nicht mal volljährig, ist offenbar ebenfalls Alkoholiker. Seine Rolle in der Geschichte bleibt lange unklar: Er ringt mit starker Alkoholvergiftung auf der Intensivstation um sein Leben. Geschickt zieht die Schweizer Regisseurin Judith Kennel, die bislang alle Folgen der ZDF-Krimireihe "Unter anderen Umständen" inszeniert hat, die zweite Ebene nach und nach in den Vordergrund. Beiläufig findet der Film so sein hintergründiges Thema, die Ko-Abhängigkeit.
Das sparsame und deshalb um so berührendere Spiel von Martin Brambach als hilflosem und längst zerbrochenem Ehemann und natürlich Jule Böwes Verkörperung der Alkoholikerin sorgen für Szenen von bedrückender Glaubwürdigkeit. Den intensivsten Moment hebt sich der Film für das Ende auf, als die Eltern, beide betrunken, der kleinen Tochter versichern, ab morgen werde alles gut. Und während es gerade bei den "Tatort"-Beiträgen aus Köln oft konstruiert wirkt, wenn die Kommissare als Reflektionsebene für das Thema des Falls herhalten müssen, gelingt auch dies hier vorbildlich: weil Keppler als trockener Alkoholiker sofort erkennt, wie ausweglos Uwe Fischers Lage ist.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).