"Liebe vergisst man nicht", 2. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Wie ein Herr Cheng sieht er wirklich nicht aus, der Mann, den Teresa nach einem Autounfall aus dem Wasser fischt. Aber auf diesen Namen wurde das Auto gemietet, mit dem er in den Teich gefahren ist. Dass Herr Cheng chinesisch kann, spricht auch eher dafür als dagegen, dass er Chinese ist; selbst wenn sein Deutsch den Wiener verrät. Der angebliche Cheng selbst kann leider nicht viel zur Aufdeckung seiner Identität beitragen, denn er hat sein Gedächtnis verloren. Und weil sich keiner für ihn zuständig fühlt, nimmt ihn Teresa kurzerhand zu sich, schon aus eigenem Interesse: Bei dem Unfall ist ihr eigenhändig getöpfertes Porzellan kaputt gegangen, und wenn ihr die Versicherung von Cheng den Schaden nicht ersetzt, steht sie vor dem Ruin. Zum Glück ist der vermeintliche Chinese ein überaus angenehmer Zeitgenosse, der wie sie eine Vorliebe für Scherzfragen hat und ihre Kinder auf Anhieb ins Herz schließt. Zu dumm, dass er in Wirklichkeit Robert Kant heißt, als erfolgreicher Architekt an einem Mega-Deal mit einem chinesischen Unternehmen beteiligt ist und kurz vor der Hochzeit mit der Tochter seines Chefs steht.
Matthias Tiefenbacher, kürzlich noch mit "Das Haus ihres Vaters" als Regisseur für ein eindrucksvolles Drama verantwortlich, sorgt mit dieser liebenswerten romantischen Komödie für ein Kontrastprogramm. Erneut konnte er ein offenbar herausragendes Drehbuch umsetzen. Die Vorlage stammt diesmal von Marcus Hertneck und Edda Leesch, die beide für Vergnügen mit Tiefgang stehen (er unter anderem mit "Der Butler und die Prinzessin", sie zuletzt mit "Das Glück ist eine Katze"). Hier haben sie sich eine Vielzahl wunderbarer Szenen ausgedacht, die das leicht klischeehafte Personal – Anna Loos als eher chaotische alleinerziehende Mutter, Fritz Karl als Star-Architekt in kinderloser kühler Erfolgswelt - mit viel Leben erfüllen. Auch Farbgebung, Ausstattung und Kostüme spiegeln das wider: Bei Teresa ist alles warm und freundlich, während Roberts Wohnung und sein Büro sachlich, nüchtern und schwarzweiß sind.
Nicht minder wichtig für die sympathische Wirkung des Films ist Tiefenbachers Führung der jungen Darsteller, schließlich spielen Teresas Kinder eine entscheidende Rolle für die Romanze; gerade die kleine Mercedes Jadea Diaz entpuppt sich als Naturtalent. Auch die weiteren Nebenfiguren sind mit viel Liebe ersonnen, etwa das Polizeipaar, das Robert kurzerhand zum „Chinesen mit Ich-Störung“ erklärt, oder Teresas Sachbearbeiter (Oliver Breite) bei der örtlichen Bank, der ihre klamme Phase unbürokratisch mit einem persönlichen Kredit überbrückt. Aber am wichtigsten ist die Chemie zwischen Fritz Karl und Anna Loos, und die stimmt. Kinder sind für Karl, selbst fünffacher Vater, ohnehin eher Ansporn, das hat er schon in „Plötzlich Onkel“ bewiesen. Ein fröhlicher, unbeschwerter Familienfilm mit passender, stimmiger Musik (Biber Gullatz, Andreas Schäfer), in dem diverse Details immer wieder beweisen, mit wie viel Hingabe die Geschichte erdacht und umgesetzt worden ist.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).