Schweizer wollen kriminelle Ausländer schneller ausweisen

Schweizer wollen kriminelle Ausländer schneller ausweisen
In der Schweiz könnte eine Volksabstimmung zu einem weiteren Ruck nach rechts führen: Straffällig gewordene Ausländer sollen schneller und einfacher ausgewiesen werden. In Zukunft könnte ein Einbruch genügen, um das Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu verlieren. Am ersten Advent stimmen die Eidgenossen über zwei konkurrierende Vorschläge zur "Ausschaffung" ab. Vor einem Jahr sagten die Schweizer Ja zu einem Bauverbot für Minarette und fachten damit die europaweite Islamdebatte an.
27.11.2010
Von Jan Dirk Herbermann

Zur Abstimmung steht die "Ausschaffungsinitiative" der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Das eidgenössische Parlament formulierte einen Gegenvorschlag. Laut Umfragen lösen beide Pläne zur Vereinheitlichung der Regeln auf nationaler Ebene in der Bevölkerung viel Beifall aus. Sollten die Schweizer zu beiden Konzepten ja sagen, käme es zu einer Stichwahl.

Menschenrechtsorganisationen sind über die drohende härtere Gangart besorgt: "Es geht um Menschen, die hier leben, sogar in der zweiten und dritten Generation", sagt die Basler Soziologin Anni Lanz. "Leute, die in der Schweiz geboren sind, werden gleich getroffen vom Damoklesschwert der Ausschaffung wie Menschen, die erst vor kurzem eingereist sind."

In der Debatte gibt die rechtsnationale Partei den Ton an. Deren Kampagnenleiter Adrian Amstutz frohlockt: "Mit der Ausschaffungsinitiative können wir Ausländer, die in unserem Land schwere Verbrechen begehen, endlich konsequent ausweisen."

Zahl der Ausweisungen könnte sich vervierfachen

Die SVP arbeitete eine konkrete Liste mit Delikten aus, die automatisch zum Entzug des Aufenthaltsrechts führen: Von vorsätzlicher Tötung über Raub bis Drogenhandel. Auch Einbrecher soll es treffen. "Wer einen Einbruchdiebstahl begeht und deswegen rechtskräftig verurteilt wird, der muss gehen", verlangt der starke Mann der Volkspartei und Ex-Justizminister Christoph Blocher.

Die gut geölte SVP-Wahlkampfmaschine spuckt seit Wochen Plakate, Broschüren und Handzettel aus. Zentrales Motiv: Ein weißes Schaf bugsiert ein schwarzes Schaf mit einem Tritt aus einem Feld mit Schweizer Flagge. Zudem verweist die Volkspartei unaufhörlich auf die offizielle Kriminalstatistik: "Es ist festzustellen, dass der Anteil der verurteilten ausländischen Straftäter vergleichsweise hoch ist", bestätigt die Regierung.

Bei vorsätzlichen Tötungsdelikten liegt der Anteil beschuldigter Ausländer bei 59 Prozent, bei Vergewaltigungen bei 62 Prozent. Insgesamt aber leben unter den knapp acht Millionen Einwohnern der Schweiz nur rund 22 Prozent Ausländer.

Gegenvorschlag konzentriert sich auf den Einzelfall

Sagen die Schweizer ja zu den SVP-Plänen, dürften die "Ausschaffungen" sich fast vervierfachen. Von durchschnittlich 400 in den vergangenen Jahren auf rund 1.500, wird geschätzt. Bislang gelten in Kantonen unterschiedliche Regelungen, wann und wie Ausländer ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Um der rechtsnationalen SVP den Wind aus den Segeln zu nehmen, einigten sich die großen anderen Parteien im Parlament auf einen Gegenvorschlag. Die Regierung unterstützt die Alternative.

Danach müssen kriminelle Ausländer prinzipiell bei den gleichen Strafen die Schweiz verlassen wie beim Vorschlag der SVP: Mord, Raub, Menschenhandel. Ein wesentlicher Unterschied der Vorlagen: Die SVP listet die Delikte konkret auf, das Parlament orientiert sich am Strafmaß und an der "Schwere der Tat im Einzelfall".

Doch egal, welchen Plan die Schweizer gutheißen, Menschenrechtsaktivisten wie Anni Lanz sprechen von einem Schwenk zu einer "repressiven" Politik. "Es fragt sich, welche Wirkung erreicht wird, wenn die Strafen nur für Ausländer verschärft werden", fragt Lanz besorgt.

epd