Schlussspurt bei Stuttgart 21: Einigung unmöglich?

Schlussspurt bei Stuttgart 21: Einigung unmöglich?
Die Spannung steigt. Wie will Schlichter Geißler im Streit um das Milliardenprojekt Stuttgart 21 am Dienstag den gordischen Knoten zerschlagen? Bei der achten Schlichtungsrunde am Samstag zeichnete sich ab: Einigung ist unmöglich, Volksentscheid auch.
27.11.2010
Von Roland Böhm

Die Schlichtung zum milliardenschweren Bahnprojekt Stuttgart 21 ist kurz vor ihrem Abschluss erneut an Grenzen gestoßen. Unversöhnlich standen sich am Samstag Projektgegner und -planer etwa bei der Kostenschätzung für die ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm gegenüber. Auch zur Leistungsfähigkeit des geplanten Tunnelbahnhofs und zu den zu erwartenden Kosten für einen Ausstieg aus dem Projekt gab es sehr unterschiedliche Prognosen. Schlichter Heiner Geißler blieb zwischenzeitlich nichts anderes übrig, als festzustellen: "Wir lassen die unterschiedlichen Zahlen jetzt mal so im Raum stehen."

Derweil wächst die Spannung, was Geißler an diesem Dienstag (30. November) in seinem Schlichterspruch verkünden wird. Zwei Wege hat der 80-Jährige selbst schon ausgeschlossen: Einigung und Volksentscheid. "Wir sehen hier: Es ist sehr schwer, beide Positionen auf einen Nenner zu bringen. Ja, es ist nicht möglich", sagte Geißler. Ein Volksentscheid sei prinzipiell etwas Richtiges, sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Doch bei Stuttgart 21 fehle dafür eine rechtliche Basis. Überdies habe der Landtag eine Volksabstimmung abgelehnt. Er könne als Schlichter nichts vorschlagen, was unrealistisch sei.

Geißler: "Ich bin nicht der Heilige Geist"

Vor der Verkündung des Schlichterspruchs warnte Geißler vor zu hohen Erwartungen an ihn. "Ich bin nicht der Heilige Geist und als Tröster geeignet. Durch die Versachlichung der Thematik müssten beide Seiten klar sehen, dass es nicht möglich ist, S 21 mit dem neuen Tiefbahnhof und K 21 mit der Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofes auf einen Nenner zu bringen", sagte Geißler dem Magazin "Focus".

Im Grunde genommen kann Geißler nur teure Verbesserungen an den Bahnplänen fordern. Kreuzungsfreie Bahntrassen etwa, um den Tiefbahnhof nicht zum Nadelöhr werden zu lassen. Oder zusätzliche Gleise, um zu vermeiden, dass ICE und S-Bahnen teilweise gleiche Trassen nutzen müssen. Oder zehn statt acht Gleise im Tiefbahnhof, damit dort nicht Züge hintereinanderstehen müssen. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte angekündigt, Geißlers Schlichterspruch zu akzeptieren, solange dieser nicht das Ende des Projekts verlangt.

Kontroversen bei Fahrplan, Kosten, Ausstieg

Die Schlichtungsrunde rieb sich am Samstag an einem von der Bahn erstellten möglichen Fahrplan für den Tiefbahnhof. Gegner-Sprecher Boris Palmer (Grüne) machte mehrere Engpässe aus, auch Experten der Bahn sprachen von einer "fahrplantechnisch anspruchsvollen Konstruktion". Ihr Versprechen, der neue Bahnhof könne ein Drittel mehr Züge abwickeln als der bestehende, könne die Bahn jedenfalls nicht halten. Der Tiefbahnhof könne nicht mehr leisten als der bestehende Kopfbahnhof. Palmer habe lediglich "überzeichnete Einzelbeispiele" präsentiert, wies Bahn-Vertreter Ingulf Leuschel zurück. Bahnvorstand Volker Kefer sicherte zu, die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs in Teilen noch einmal überprüfen zu lassen.

Unversöhnlich stand sich die Runde auch bei den Kosten für die ICE-Neubautrasse gegenüber. Bahnvorstand Kefer zeichnete diverse Tunnelröhren auf Folie, um seine Schätzung von Kosten in Höhe von 2,9 Milliarden Euro zu begründen. Die Gegenseite hielt dem ein Gutachten auf Basis der bisherigen Planfeststellungsunterlagen entgegen, das auf Kosten von mehr als 4 Milliarden Euro kommt. "Wir sind wieder in der selben Sackgasse wie gestern", sagte Geißler.

Die Diskussion über die Ausstiegskosten endete mit einer Drohung der Bahn: Wirtschaftsprüfer hatten Kosten von 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro errechnet, die bei einem Abbruch auf die Deutsche Bahn zukämen. Kefer betonte: "Wir werden diese Kosten, so wie sie hier stehen, einklagen." Ein Gutachter der Projektgegner hielt dem aber entgegen, dass in dieser Summe etwa rund 750 Millionen Euro für bereits verkaufte Grundstücke enthalten seien, die von der Bahn an die Stadt Stuttgart zurückgezahlt werden müssten.

dpa