Forscher: Keine gestiegene Gewalt bei jungen Muslimen

Forscher: Keine gestiegene Gewalt bei jungen Muslimen
Für eine gestiegene Gewaltbereitschaft junger Muslime gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg. Das ergibt sich aus Studien im Auftrag von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), die am Freitag in Berlin vorgestellt wurden. Schröder bemühte sich dennoch, einen Zusammenhang zwischen einer gesteigerten islamischen Religiosität und Gewalt herzustellen.

Es scheine es einen Zusammenhang zu geben, "dass eine erhöhte islamische Religiosität korreliert mit einer erhöhten Zustimmung zu Männlichkeitsnormen, die Gewalt legitimieren", sagte Schröder. Eindeutige Zahlen, die einen Zusammenhang zwischen muslimischer Religion und Gewaltbereitschaft belegen könnten, präsentierten die von der Ministerin beauftragten Wissenschaftler allerdings nicht. "Es gibt keine Zahl, wonach Muslime eine höhere Gewaltbereitschaft haben" sagte der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak.

Muslimische Jugendliche würden in der Regel nur dann anfällig für solche religiös bedingten Männlichkeitsbilder, wenn ihre soziale und wirtschaftliche Lage prekär sei, erklärte der Fachmann. Eine gestiegene Gewaltbereitschaft bei muslimischen Jugendlichen sei empirisch nicht belegt. Toprak, der für das Ministerium eine Studie über Gewaltphänomene bei jungen Muslimen und Prävention erstellte, teilte diese Ansicht nur bedingt.

Schröder widerspricht Ergebnissen

Schröder sagte, das Klischee des jungen, bildungsfernen und gewaltbereiten Muslims treffe nur auf eine sehr geringe Zahl zu. Dennoch dürften bei der Debatte über gewaltbereite Migranten die kulturellen Ursachen nicht ausgeblendet werden. Pauschale Urteile wie "Der Islam lehnt Gewalt ab" seien ebenso falsch wie Aussagen "Der Islam predigt Gewalt", betonte die Ministerin. Im "Wiesbadener Kurier" (Freitag) hatte Schröder eine deutlich erhöhte Gewaltbereitschaft unter jungen, männlichen Muslimen beklagt. Es gebe eine gewaltverherrlichende Machokultur bei einigen jungen Muslimen, die auch kulturelle Wurzeln habe. Die Gewaltbereitschaft sei deutlich höher als bei nichtmuslimischen Jugendlichen.

Grüne und Linke verurteilten diese Aussagen. "Es ist nicht die Aufgabe der Familienministerin, soziale Probleme zu ethnisieren und die Gesellschaft zu spalten", sagten die integrations- und jugendpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Memet Kilic und Kai Gehring. Die von Schröder selbst in Auftrag gegebenen Studien widerlegten ihre Aussagen als Vorurteile. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sagte, Schröder gieße mit solchen Parolen "nur Öl ins Feuer der um sich greifenden Muslimfeindlichkeit".

Imame in Deutschland ausbilden

Die Autorin der zweiten Studie für das Familienministerium, die Sozialwissenschaftlerin Sonja Haug, verwies auf eine Schülerbefragung von 2009. Darin äußerten sich Muslime häufiger gewaltbereit als nichtmuslimische Jugendliche. Auf einer Skala zur Gewaltaffinität kamen die befragten Muslime auf 24 Punkte, die nichtmuslimischen Migranten auf 16 und die nichtmuslimischen Einheimischen auf 15 Punkte. Haug, die bestehende Studien auswertete, kommt zugleich zu dem Ergebnis, dass die Gewaltprävalenz bei schlecht integrierten russischen Jugendlichen höher ist als bei jungen Türken. Russische Einwanderer sind in der Mehrzahl keine Muslime.

Zur Vorbeugung gegen Gewalt befürwortet Schröder unter anderem die Einführung von islamischem Religionsunterricht an deutschen Schulen - unter der Voraussetzung, dass die Lehrer in Deutschland ausgebildet werden und der Unterricht der Schulaufsicht untersteht. Auch die sozialen Ursachen sollten angegangen werden. Hierfür will Schröder die Eltern einbeziehen. "Ohne die Eltern erreichen wir nichts." Imame, so die Ministerin, sollten in Deutschland ausgebildet werden. Die Vorbeter in den Moscheen hätten große Bedeutung für die Wertevermittlung.

epd/dpa