"Wilsberg: Bullenball", 27. November, 20.15 Uhr im Zweiten
Wahrscheinlich ist es einfach Teil des Spiels, aber es mutet schon seltsam an, wie sich die Fernsehsender gegenseitig ignorieren: Stets tun sie so, als gäbe es die anderen nicht. In diesem "Wilsberg"-Krimi aber wird so oft von "Bauer sucht Frau" gesprochen, dass es fast wie Werbung für RTL klingt. Gemeint ist allerdings der titelgebende Bullenball, bei dem sich offenbar alles trifft, was in und um Münster Single ist - oder einen Abend lang so tut also ob. Wilsbergs Kumpel namens Ekkehard Talkötter (Oliver Korittke) treibt sich hier auch rum. Die aktuelle Dame seines Herzens hat nicht nur einen Autohandel und Probleme mit dem Finanzamt, sondern auch einen angeblich gewalttätigen angeblichen Ex-Freund. Weil Wilsberg (Leonard Lansink) Ekkis Auto zu spät übergibt, bringt sein Freund nicht die Frau nach Hause, sondern einen Fremden zu dessen Wagen. Mitten auf dem Landweg liegt eine tote Sau. Als die beiden Männer aussteigen, fallen Schüsse: Ekki hat Glück und kommt mit einem Streifschuss davon; der Beifahrer ist tot.
Die "Wilsberg"-Krimis sind gern kompliziert, weshalb zwangsläufig viel Erklärungsbedarf herrscht. Weil die Autoren (hier: Timo Berndt) die Dialoge aber grundsätzlich mit viel Ironie und mancher Bosheit würzen, hat man nie das Gefühl, in den Filmen würde zuviel geredet. Und da alle Beteiligten auf Augenhöhe agieren, gibt es ein ständiges Geben und Nehmen. Die Drehbücher, die stets auch geschickt mehrere Handlungsebenen miteinander verknüpfen, sind die eine große Stärke dieser Reihe. Die zweite sind ausgezeichnete Darsteller (des weiteren Rita Russek und Ina Paule Klink), die längst mit ihren Figuren verwachsen sind, ohne dabei in Routine zu verfallen. Die besondere Qualität der Filme aber liegt darin, die Geschichten so zu erzählen, dass man ihnen nie anmerkt, wie konstruiert sie eigentlich sind (Regie und Kamera: Hans-Günther Bücking).
Natürlich hat Ekkis Liebelei mit der Autodame nichts mit den nächtlichen Schüssen zu tun, obwohl später noch mal auf ihn geschossen wird. Und selbstredend galt der Anschlag auch nicht dem Finanzbeamten, denn nicht mal er selbst konnte ahnen, dass er diesen Umweg nehmen würde. Und dass kurz drauf auch noch der Stiefvater (Hannes Hellmann) des ersten Opfers erschossen wird, scheint erst recht nicht ins Bild zu passen. Aber wie es Berndt gelingt, Wilsberg nicht nur diese beiden Taten, sondern völlig plausibel auch noch einen zwanzig Jahre zurückliegenden Mord aufklären zu lassen: Das ist großartig erzählt, wunderbar inszeniert und beste Krimi-Unterhaltung. Langjährige Fans der Reihe wird es außerdem freuen, dass Wilsbergs alter Freund Manni (Heinrich Schafmeister) zumindest akustisch einen Gastauftritt hat.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).