Nordkorea schießt mit Artillerie auf Südkorea

Nordkorea schießt mit Artillerie auf Südkorea
Die Situation auf der koreanischen Halbinsel ist am Dienstag gefährlich eskaliert. Nordkorea habe die zu Südkorea gehörende Insel Yonpyong mit Dutzenden von Granaten beschossen und dabei zwei Marinesoldaten getötet, teilte ein Sprecher des Generalstabs der südkoreanischen Streitkräfte mit. Es habe zahlreiche Verletzte gegeben, darunter auch Zivilisten.

Das südkoreanische Militär habe die Schüsse sofort erwidert und nordkoreanische Artilleriestellungen unter Beschuss genommen. Kampfjets nahmen Kurs auf die Insel im Gelben Meer. Die dramatische Lage löste weltweit Besorgnis aus. Südkorea warf dem kommunistischen Nachbarland eine "klare militärische Provokation" vor und warnte vor schweren militärischen Gegenschlägen für den Fall weiterer Angriffe. "Nordkorea muss die volle Verantwortung für den Angriff übernehmen", hieß es in der Erklärung des Präsidialamts in Seoul.

Es war einer der schwerwiegendsten militärischen Zwischenfälle seit dem Ende des Koreakriegs (1950-53). Die südkoreanischen Streitkräfte wurden in höchste Alarmbereitschaft seit dem Bruderkrieg versetzt. Beide koreanischen Staaten befinden sich völkerrechtlich noch im Kriegszustand, da bisher kein Friedensvertrag geschlossen worden ist.

Internationale Reaktionen: "besorgt" bis "aufs Schärfste" verurteilend

Das Nachbarland China äußerte sich "besorgt" über den Granatenbeschuss Südkoreas. Russland rief beide Seiten zur Besonnenheit auf. Ähnlich alarmiert äußerten sich auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Bundesaußenminister Guido Westerwelle.

Die US-Regierung hat den nordkoreanischen Beschuss der südkoreanischen Insel Yonpyong am Dienstag "auf das Schärfste" verurteilt und zu einem Stopp der "aggressiven Aktion" aufgerufen. Nordkorea müsse die Bestimmungen der Waffenstillstandsvereinbarung mit Südkorea voll einhalten, hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses weiter.

[listbox:title=Der Konflikt in Korea[Auf der koreanischen Halbinsel stehen sich am 38. Breitengrad mehrere hunderttausend verfeindete Soldaten gegenüber. Die massiv gesicherte Waffenstillstandslinie teilt dort den kommunistischen Norden vom westlich orientierten Süden. Nach dem Koreakrieg vor mehr als einen halben Jahrhundert hat es nie einen Friedensvertrag gegeben. 1953 wurde quer durch Korea eine rund 240 Kilometer lange und vier Kilometer breite "Entmilitarisierte Zone" (DMZ) geschaffen. Im Grenzdorf Panmunjom mit einer "Gemeinsamen Sicherheitszone" (JSA) gibt es Häuser mit einer Tür nach Norden und einer nach Süden, dazwischen liegt die Grenze. An der Westküste beider Staaten im Gelben Meer schließt sich am 38. Breitengrad eine rund 200 Kilometer lange Seegrenze an. Ein Kommandant der UN-Truppen legte 1953 diese "Northern Limit Line" einseitig fest. Nordkorea hat die vier Kilometer breite Grenzzone nie anerkannt. Das Regime in Pjöngjang kritisiert, dass dadurch einige Inseln vor seiner Küste an Südkorea fallen und legte 1999 eine weiter südlich verlaufende Seegrenze fest.]]

Washington stehe in engem und anhaltendem Kontakt mit seinen koreanischen Verbündeten, betonte Sprecher Robert Gibbs. Die USA seien der Verteidigung Südkoreas und der Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in der Region "tief verpflichtet".

Den südkoreanischen Angaben zufolge wurden fünf Soldaten schwer und zehn weitere leicht verwundet. Auch drei Inselbewohner seien verletzt worden. Dutzende von Häusern seien in Brand geraten, hieß es aus Militärkreisen. Im Fernsehen war von 50 bis 60 brennenden Gebäuden die Rede. Auf den Bildern sah man, wie dunkle Rauchwolken von den beschädigten Gebäuden aufstiegen. Die etwa 1.600 Inselbewohner seien in Sicherheit gebracht worden. Zahlreiche Bewohner flohen mit Booten von der Insel. Die Behörden sprachen von chaotischen Zuständen. "Häuser und Berge brennen", sagte ein Bewohner im Fernsehen. Die Menschen fürchteten sich zu Tode.

Mindestens 50 Granaten seien auf der wenige Kilometer von der umstrittenen Seegrenze entfernten Insel eingeschlagen, hieß es aus Militärkreisen. Zahlreiche Granaten gingen demnach auch auf südkoreanischer Seite der Seegrenze im Gelben Meer nieder. Zum Zeitpunkt des Beschusses hatte die südkoreanische Marine ein Manöver vor der Westküste abgehalten. Nordkorea hatte dagegen heftig protestiert.

In der Vergangenheit ist es an der umstrittenen Seegrenze wiederholt zu militärischen Zwischenfällen gekommen. Zivile Einrichtungen seien aber seines Wissens seit dem Krieg noch nicht beschossen worden, sagte ein Militär aus dem Generalstab der Nachrichtenagentur dpa.

Südkorea ergreift "resolute Gegenmaßnahmen"

"Der rücksichtslose Beschuss von Zivilisten kann niemals toleriert werden", sagte ein Sprecher des südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak. Der Staatschef hielt mit seinem Stab eine Dringlichkeitssitzung in einem unterirdischen Bunker ab. Nach Angaben eines Sprechers wies er an, resolute Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine weitere Eskalation müsse aber vermieden werden.

Das Verteidigungsministerium in Seoul teilte mit, Nordkorea habe am frühen Nachmittag (Ortszeit) begonnen, Dutzende von Artilleriegranaten über dem Gelben Meer Richtung Südkorea abzufeuern. Über 100 Granaten seien abgefeuert worden.

Die Lage auf der koreanischen Halbinsel war bereits vor dem neuerlichen Zwischenfall äußerst angespannt. Südkorea macht Nordkorea für die Versenkung eines seiner Kriegsschiffe im Gelben Meer verantwortlich. Bei dem Vorfall im März wurden 46 Soldaten getötet. Nordkorea bestreitet eine Verwicklung.

dpa