Sonntag, 21. November: "Tatort: Unsterblich schön", ARD, 20.15 Uhr
Es ist nicht nur Charakteristikum, sondern auch Qualitätsmerkmal der Reihe "Tatort", dass sie sich immer wieder neu erfindet; und das nicht allein durch personelle Wechsel, sondern auch durch stilistische Besonderheiten. Das muss einem allerdings nicht immer gefallen. Dieser Krimi aus München zum Beispiel ist eine überwiegend statische Angelegenheit. Kameramann Paul Kyrlidis hat sein Arbeitsgerät kaum bewegen dürfen. Fahrten sind ganz selten, Schwenks und Zooms kann man mitzählen. Das passt allerdings zur Geschichte, denn die entwickelt sich auch ein bisschen zäh, obwohl sie durchaus reizvoll ist; und das in mancherlei Hinsicht.
Zu Beginn gibt es die obligate Leiche: Die Besitzerin eines Wellness-Tempels wird tot in ihrem Etablissement gefunden. Der Mord wirkt wie eine Reminiszenz an den James-Bond-Film "Goldfinger": Die Tote (Tatjana Alexander) ist von Kopf bis Fuß in Schokolade gehüllt. Gestorben ist sie allerdings an einem allergischen Schock, und da sie im Moment des Todes eingesperrt war, handelt es sich offenkundig um Mord. Überzeugende Verdächtige gibt es auch: Die Dame hatte - sehr zum Ärger ihrer Schwester (Victoria Trauttmansdorff) - ein Verhältnis mit ihrem Schwager (Peter Davor) und sich außerdem am Abend des Ablebens von ihrem Mann (Robert Atzorn) getrennt. Der Mutter (Gudrun Landgrebe) der Schwestern scheint vor allem daran gelegen, die Fassade vor Rissen zu schützen.
Darstellerinnen von ausgesuchter Attraktivität
All das aber ist im Grunde bloß Mittel zum Zweck, denn Autorin Stefanie Kremser will eine Geschichte über den Jugendwahn erzählen. Aus diesem Grund sind vor allem die Darstellerinnen von ausgesuchter Attraktivität und die Figuren, die sie spielen, emsig und ständig bemüht, ihre Schönheit zu bewahren. Allüberall stoßen die Ermittler auf Tiegelchen und Mittelchen, Botox ist fast ein Grundnahrungsmittel. Wer nun vermutet, bei so viel schönem Schein müssten die inneren Werte zwangsläufig auf der Strecke bleiben, setzt sich prompt dem Verdacht aus, von der Natur nicht ganz so großzügig bedacht worden zu sein.
Zum Glück können sich die Münchener Ermittler Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl) sehen lassen, weshalb sie der Mischpoke mit angemessener Süffisanz zu Leibe rücken. Dazu haben sie viel Gelegenheit, denn Filippos Tsitos inszeniert den Film überwiegend als Kammerspiel, so dass sich die Kamera ganz auf die Figuren konzentrieren kann. Den Darstellern kommt das natürlich zugute, aber während manch' anderer "Tatort" wie Kino fürs Fernsehen wirkt, erinnert dieser sparsame Film an Fernsehspiele längst vergangener Epochen. Am Ende aber fragt man sich trotzdem vor allem eins: Kann man wirklich an einem Hauch von Nuss sterben?
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).