Google und die störrischen Deutschen

Google und die störrischen Deutschen
In diesen Tagen startet der Internetkonzern Google auch in Deutschland seinen umstrittenen "Street View"-Dienst, der zunächst 20 Städte, später jede Straße im Land detailliert abbildet. Bei der Präsentation vor der Presse zeigten sich die Google-Manager nach der heftigen Diskussion der vergangenen Monate verständlicherweise etwas nervös.
19.11.2010
Von Thorsten Börnsen

Das Cruise Center liegt im Herzen der neu entstehenden Hamburger Hafencity. Hier, inmitten moderner Großstadtarchitektur, legen normalerweise die Kreuzfahrtschiffe an, die die Elbmetropole ansteuern. Gleich nebenan steht der futuristisch anmutende Marco-Polo-Tower, eine der teuersten Immobilien der Hansestadt.

Hierhin, in die große Empfangshalle des Kreuzfahrtterminals, lud Google gestern zur Pressekonferenz anlässlich des Deutschlandstarts seiner Street-View-Funktion. Der Ort war mit Bedacht gewählt, denn das ehrgeizige Städtebauprojekt gilt vielen als innovativ und zukunftsweisend. Ein passender äußerer Rahmen, um die neue Technologie der Öffentlichkeit zu präsentieren.

"Zugeständnisse wie nirgendwo sonst"

Nach den hitzigen Debatten der vergangenen Monate wollte man nichts dem Zufall überlassen. Alles sollte klappen an diesem Vormittag. Etliche Google-Mitarbeiter tummelten sich grüppchenweise im Foyer des Gebäudes mit Blick auf die Elbe, dem Anschein nach ohne rechte Aufgabe. Als zum Beginn der Veranstaltung in den angrenzenden Raum gebeten wurde, füllten sich die Reihen weit eher mit gut gestimmten Mitarbeitern des Internetriesens als mit Journalisten. Bei kritischen Nachfragen zum Datenschutz wollte man sich offenkundig zumindest der moralischen Unterstützung durch die eigenen Leute versichern.

Dass sich Google indes nicht nur auf Zustimmung seitens der Medienvertreter eingestellt hatte, zeigt schon ein Blick auf die Rednerliste. Neben dem Vizepräsidenten für Nord- und Zentraleuropa, Philipp Schindler, war auch auch der Google-Datenschutzexperte Peter Fleischer gekommen.

Die Anspannung war den Repräsentanten des Konzerns denn auch deutlich anzumerken. Schindler ging bereits bei seiner Begrüßung auf die zurückliegenden Konflikte ein: Man habe zahlreiche Gespräche mit Datenschützern geführt. "Wir haben Zugeständnisse gemacht wie in keinem anderen Land", erklärte der Manager.

Proteste von Datenschützern

Anders als Google Maps ermöglicht Street View dem Nutzer einen dreidimensionalen fotografischen Rundumblick. Man sieht also Gebäude, Fahrzeuge und Grünanlagen so, wie sie zum Zeitpunkt der Aufnahmen festgehalten wurden. Während die Gesichter von Passanten und Autokennzeichen automatisch unkenntlich gemacht werden, hat die ungefragte Aufnahme von Häusern zur späteren Veröffentlichung von Anfang an heftige Proteste bei Datenschützern und Politikern ausgelöst, die darin eine Verletzung der Privatsphäre sehen.

Nach einer kurzen Einführung in die Funktionsweise und Bedienung der neuen Street-View-Technik kommt die Reihe an Peter Fleischer. Der Datenschutzexperte weist darauf hin, dass man mit Street View erst nach zweijähriger Vorbereitungszeit online gegangen sei, in deren Verlauf man sich ständig mit den deutschen Datenschützern auseinandergesetzt habe.

Die Verhandlungen mit den Datenschützern in Frankreich hätten dagegen nur eine Woche gedauert. "Die Definition von Privatsphäre ist in jedem Land unterschiedlich", erläutert Fleischer den national verschiedenen Umgang mit dem Datenschutz. Vor der deutschen Haltung hierzu habe er aber Respekt. Überhaupt zeigten sich die Vertreter des Konzerns sehr darum bemüht, die jüngsten Kontroversen um Street View nicht erneut aufflammen zu lassen.

Sonderfall Deutschland

Nach Fleischers Worten wurde der besonderen Situation in Deutschland durch die Regelung Rechnung getragen, dass man sein Haus bereits im Vorfeld des Street-View-Starts unkenntlich machen lassen konnte. Das habe es in keinem der 25 anderen Länder gegeben, in denen diese Funktion bereits zuvor eingeführt worden war.

Allein 200 besonders geschulte Mitarbeiter seien damit beschäftigt, die eingehenden Anträge auf Unkenntlichmachung zu bearbeiten. Insgesamt hatten rund 244.000 Haushalte die Möglichkeit genutzt, ihre Häuser vorab unkenntlich machen zu lassen. Das entspreche 2,89% der Haushalte in den 20 Städten, für die Street View mittlerweile online verfügbar ist.

Wohl auch, um dem entstandenen Imageschaden entgegenzuwirken, hatte Google noch weitere Gäste eingeladen. So war der Bürgermeister von Markt Oberstaufen im Allgäu angereist, der ersten deutschen Gemeinde, die freiwillig bereits seit dem zweiten November dieses Jahres mit der Street-View-Funktion online ist. Von Pressesprecher Kai Oberbeck nach Street-View-Kritikern in seinem Heimatort befragt, erklärte Bürgermeister Walter Grath: "Es gab im Vorfeld nicht eine negative Stimme, keinen Leserbrief." Die Medien hätten es da nicht leicht gehabt, eine kritische Meinung zu finden.


Thorsten Börnsen ist freier Autor in Hamburg.