Die Angst vor dem Terror gehört in Israel zum Alltag

Die Angst vor dem Terror gehört in Israel zum Alltag
Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag des Nachrichtensenders N24 befürchtet fast jeder Fünfte einen Terroranschlag in Deutschland. Für Israelis hingegen gehört dieses Gefühl zum Alltag. Wie lebt es sich mit der permanenten Angst?

Wachleute vor Kneipen und Kinos, Taschenkontrollen vor Einkaufszentren und Nacktscanner am Grenzübergang zum Gazastreifen - umfassende Sicherheitskontrollen gehören in Israel seit vielen Jahren zum Alltag. Und die meisten finden nichts dabei.

Die Israelis haben gelernt, mit der Terrorgefahr und dem Sicherheitsregime zu leben. "Ich bin an einem Punkt angekommen, an dem Wachleute an öffentlichen Plätzen für mich selbstverständlich sind. Mir fällt nur auf, wenn kein Sicherheitspersonal vor Restaurants, Einkaufszentren oder Kinos steht. Das finde ich merkwürdig und ich frage mich dann warum", sagt Yoav, der seit 27 Jahren in Tel Aviv lebt.

Was Israelis als Selbstverständlichkeit empfinden, ist für Ausländer am Anfang gewöhnungsbedürftig - wenn beispielsweise ein Wachmann vor dem Dizengoff-Shopping-Center in Tel Aviv mit einem tragbaren Körperscanner Rücken und Bauch nach einem Sprengstoffgürtel untersucht oder nach Waffen fragt.

Auch Bombenalarm ist in Israel nichts Ungewöhnliches, allerdings hat er an Schrecken verloren. Als ein verdächtiges Paket vor einem Bürohochhaus in Tel Aviv Aufsehen erregte, kamen sofort die Männer vom Kampfmittelräumdienst. Die Einsatzkräfte hatten alle Mühe, die vielen Schaulustigen zurück in das Gebäude zu drängen. Das Interesse an dem kleinen ferngesteuerten Roboter, der das Paket einsammelte, war größer als die Angst vor einer Explosion.

Scheu vor öffentlichen Verkehrsmitteln

1194 Israelis sind nach Angaben des israelischen Außenministeriums seit 2000 an den Folgen von Terroranschlägen gestorben. Der letzte Selbstmordanschlag mit einem Sprengstoffgürtel datiert vom 4. Februar 2008. Zwei Palästinenser rissen in Dimona im Süden Israels eine Frau mit in den Tod. Der letzte Selbstmordanschlag in Tel Aviv liegt noch länger zurück. Beim Anschlag vom 17. April 2006 starben elf Menschen.

Heute ist das Leben in Israel kein Vergleich mehr zur jenen Jahren nach Beginn des Palästinenseraufstandes im September 2000. Eine Spirale aus Terror und Gewalt erschütterte damals Zivilisten in Israel wie in den Palästinensergebieten bis ins Mark.

Die Israelis ließen damals vor allem bei öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen alle Vorsicht walten. Mütter fuhren mit ihren Autos nicht mehr hinter Bussen - aus Angst vor Anschlägen. Andere machten einen Bogen um Bushaltestellen oder stiegen hastig aus, falls eine für sie verdächtige Person an Bord kam.

Untersuchung der Handfläche

Heute überlassen die israelischen Sicherheitskräfte vor allem bei Großereignissen nichts dem Zufall - sei es ein Konzert von Ex-Beatle Paul McCartney oder aber der zehn Kilometer lange Nachtlauf in Tel Aviv. Von der Registrierung über den Start bis hin zum Ziel wachen Einsatzkräfte am Boden und in der Luft über das Wohl der Teilnehmer.

Besondere Sicherheitsvorkehrungen gelten auch für Journalisten. Beispielsweise muss jeder eine Stunde vor Beginn einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Sicherheitskontrollen passiert haben. Mitunter werden dann auch die Handflächen nach Sprengstoffrückständen untersucht.

Für Ausländer ungewohnt sind bis heute die Sicherheitsvorkehrungen am internationalen Flughafen Ben-Gurion bei Tel Aviv. Die erste Kontrolle beginnt bereits weit vor dem Terminal. Geschultes Personal befragt dann beim Einchecken jeden einzelnen Passagier - bei Ausländern, Alleinreisenden und arabischstämmigen Israelis kann das auch etwas länger dauern. Nicht ohne Stolz verweisen die Israelis darauf, wie ihre einst belächelten Kontrollen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 weltweit Nachahmer fahnden.

dpa