Die Studie verstehe sich in ihrem wissenschaftlich fundierten Zugang zum Thema Integration als "Anti-Sarrazin-Buch", heißt es. Sie belege, dass viele Faktoren und Indizien einer vermuteten Integrationsunwilligkeit weniger religiöse als vielmehr politische, soziale und wirtschaftliche Grundlagen haben. Eine besondere Bedeutung des Buches liege auch in seinem Beitrag zur Versachlichung von emotional aufgeladenen Diskussionen, begründete Gisela Schäfer-Richter von der Jury die Preisvergabe.
Anhand der Befragungen von Muslimen werde unter anderem deutlich, dass in Deutschland gerade intellektuelle Musliminnen das Kopftuch als Befreiung empfinden könnten, weil es in der Türkei an Schulen und Universitäten verboten sei. Mit Blick auf die Integrationsunwilligkeit, die Thilo Sarrazin Muslimen vorwirft, erklärte Toprak, die seit längerer Zeit in Deutschland lebenden Muslime lehnten Integration nicht ab. "Desintegration ist nicht eine Frage der Religion, sondern das Ergebnis der wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten." Nicht die Integration, sondern die Assimilation, also die völlige Anpassung, werde abgelehnt.
Die Feststellung der Bildungsferne von Sarrazin müsse ernstgenommen werden, unterstrich Toprak. Die Situation sei allerdings nicht aussichtslos. Durch gezielte Maßnahmen könne die Bildungsbeteiligung der Muslime verbessert werden. Es dürfe nicht vergessen werden, dass der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abhänge und Bildungserfolge vererbt würden. Der Großteil der aktuellen türkischen Bevölkerung in Deutschland sei in den 60er und 70er Jahren aus den ländlichen und ärmlichen Gebieten der Türkei angeworben worden. Menschen aus dem Iran oder Afghanistan seien dagegen in erster Linie politische Flüchtlinge mit hohem Bildungsniveau.
Die These Sarrazins, dass Deutsche in 100 Jahren in der Minderheit gegenüber Muslimen sein werden, wies Toprak als nicht realistisch zurück. Die These beruhe auf einer spekulativen Hochrechnung und nicht auf Fakten. "Schon jetzt zeigt sich, dass gut ausgebildete muslimische Frauen genauso viele Kinder bekommen wie die deutschen Frauen." Die Quoten näherten sich an. (epd)