Vom Fakten-Prediger zum Propheten: Helmut Markwort

Vom Fakten-Prediger zum Propheten: Helmut Markwort
Er hat den "Gong" geprägt, den "Focus" gegründet und galt lange als erster Journalist im Hause Burda. Nach seinem Ausscheiden aus dem Nachrichtenmagazin wandelt Helmut Markwort auf neuen Wegen - und peilt die virtuelle Unsterblichkeit an.
09.11.2010
Von Jutta Steinhoff

Der Weg in die Unsterblichkeit führt symbolhaft durch die Gruft. Entsprechend passend ist der Ort gewählt, an dem der "Focus"-Gründer und langjährige Chefredakteur Helmut Markwort am Dienstag in München seinen neuen Aufbruch präsentiert: Ein "Portal für die digitale Unsterblichkeit" namens "stayalive". Tief im Gewölbe des Hofbräukellers, in schummeriger Atmosphäre und ohne Netzempfang erklärt Markwort gemeinsam mit Partner Matthias Krage, wie man auch nach dem eigenen Tod selbstbestimmt im Internet weiterleben könne.

"Ich mache hier mit als Business-Angel und Prophet", sagt der mit dem "Focus"-Werbeslogan "Fakten, Fakten, Fakten" bekanntgewordene Medienmann. Seine Partner seien alle deutlich jünger und technisch versierter, bekennt der 73-Jährige. Für ihn sei klar, "dass es eine Zukunft hat, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen" und dass er sich auch eine eigene virtuelle Gedenkstätte anlegen wird.

"Stayalive" regelt virtuelles Leben nach realem Tod

Das Bild der eigenen Vergangenheit im Internet für die Zukunft selbst zu bestimmen, können "stayalive"-Nutzer - auch wenn sie keine so bedeutende Vergangenheit haben wie der Ex-Chefredakteur im Hause Burda. Nicht einfach ein weiteres Trauerportal sei die Idee, betont Matthias Krage. Der Account für die eigene, selbstbestimmte Gedenkstätte umfasse unter anderem Fotos, wunschweise eine Ahnengalerie samt Friedhofs-Geodaten, persönliche Kontakt-Links und gegebenenfalls gar den selbst verfassten eigenen Nachruf - und Informationen, die das virtuelle Leben nach dem realen Tod regeln.

"Das Internet ist jung, aber die Nutzer werden immer älter." Kaum einer mache sich Gedanken, was nach seinem Tod mit dem Account bei Facebook, Xing, Google oder anderen Portalen passieren kann oder soll. "Angehörige wissen meist nicht genau, in welchen social networks der Verstorbene war - und wenn, haben Sie keinen Zugang zu dessen Accounts", sagt Krage. Die Folge sind dann buchstäblich Karteileichen, denn ein Löschen des Auftritts ist nur schwer möglich.

499 Euro kostet die virtuelle Unendlichkeit

Auch bei "stayalive" könne man seine verschiedenen Accounts der Netzwelt zwar nicht verknüpfen und so nicht automatisch löschen, "aber man kann hinterlegen, wer wie Zugang erhalten soll - und somit die Accounts erbt", erklärt der seit zwölf Jahren in Netzagenturen engagierte Krage. Auch einen Mailverteiler samt Text für die Freunde und Verwandten, die vom eigenen Tod erfahren sollen, Musikwünsche für die Beerdigung oder andere Hinterlassenschaften können in den virtuellen Tresor gelegt werden. Über mehrere Schritte und Kontrollen wollen die Betreiber absichern, dass sie vom Tod des Account-Inhabers schnell erfahren - und gleichzeitig Missbrauch ausschließen.

All das könnte man natürlich auch einfach regeln und im eigenen Schreibtisch vorsorglich hinterlegen, bekennt Krage. "Aber das Portal soll auch dazu anregen, sich über die eigenen digitalen Spuren und deren Verbleib nach dem Tod Gedanken zu machen - und vorzusorgen." Darin sieht die Runde der sechs Gesellschafter - wie Markwort alle mit jeweils 16,6 Prozent beteiligt - eine lohnende Geschäftsidee, wenn sie auch Zielmarken bisher nicht nennen wollen. Da die virtuellen Gedenkstätten werbefrei bleiben, sind sie kostenpflichtig. Bei einem Jahr schlagen 19,90 Euro zu Buche, bei zehn Jahren 99,90 Euro - und die vorbezahlte virtuelle Unendlichkeit kostet pauschal 499 Euro.

dpa